Skandal weitet sich aus: ADAC räumt weitere Manipulationen ein
München (dpa) - Der Skandal um gefälschte Zahlen beim ADAC-Autopreis „Gelber Engel“ hat größere Dimensionen als bislang angenommen. Ex-Kommunikationschef Michael Ramstetter schönte nach eigener Aussage nicht nur 2014, sondern auch die Jahre zuvor bei der Umfrage zum Lieblingsauto der Deutschen die Zahlen.
Das sagte ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair am Montag in München. Er kündigte umfassende Aufklärung an. Der Automobilclub will zudem seine Strukturen reformieren und für mehr Transparenz sorgen. Weitere personelle Konsequenzen soll es zunächst nicht geben.
„Dieser Vorgang tut uns leid, er trifft den ADAC ins Mark, weil wir als eine der vertrauenswürdigsten und seriösesten Organisationen galten, dieser Ruf ist jetzt angeschlagen“, erklärte Obermair. „Wir werden das lückenlos nach innen und nach außen aufarbeiten.“ Auch wolle man externe Prüfer dazu holen. Obermair bat die rund 19 Millionen ADAC-Mitglieder um Entschuldigung. „Wir sind jetzt in der Bringschuld, die Reputation wieder herzustellen.“ Dazu gehöre auch, dass man eine Studie zur Pkw-Maut erneut bei einem Meinungsforschungsinstitut in Auftrag gegeben habe.
Auch Ramstetter selbst zeigte sich einsichtig: „Ich habe Scheiße gebaut und die Zahlen geschönt“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Daraus ziehe ich die Konsequenzen und übernehme die Verantwortung.“ Ramstetter hatte nach Angaben Obermairs bereits am Freitag, einen Tag nach der Preisverleihung „Gelber Engel“, ein Geständnis abgelegt, die alleinige Verantwortung übernommen und seine Posten geräumt. Der 60-Jährige war auch Chefredakteur der Zeitschrift „Motorwelt“. Der ADAC ist mit rund 19 Millionen Mitgliedern größter Autoclub in Europa und der größte Verein in Deutschland.
Die Bundesregierung rief den ADAC zu einer umfassenden Aufklärung der Manipulationen auf. „Es ist jetzt Aufgabe des ADAC, hier alle Karten auf den Tisch zu legen, möglichst transparent die Vorgänge aufzuarbeiten, auch rückblickend für die Jahre zuvor“, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer forderte eine unabhängige Prüfung. „Am besten ist jetzt: alles auf den Tisch, Transparenz, und nach Möglichkeit eine unabhängige, objektive Prüfung“, sagte er vor einer CSU-Vorstandssitzung. Die Manipulationen hätten ihn nicht überrascht, denn er habe sich auch über andere Zahlen in der Vergangenheit gewundert. „Im Zusammenhang mit der Maut habe ich mich immer gefragt, wie man zu solchen Schlussfolgerungen kommen kann“, sagte Seehofer. Die CSU habe immer andere Zahlen etwa zu Einnahmen aus der Maut gehabt.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hält den ADAC mit seiner derzeitigen Struktur für gescheitert. Er sprach von Arroganz und Selbstherrlichkeit. „Man schottet sich ab“, sagte er im Bayerischen Rundfunk. Offensichtlich aufgrund des Systems entwickelten sich Dinge, „die sich in Unternehmen nicht entwickeln dürfen“.
Politikberater Michael Spreng nannte das Verhalten der ADAC-Spitze katastrophal. Die Verantwortlichen hätten bereits vor der Preisverleihung des „Gelben Engels“ am Donnerstag die Notbremse ziehen müssen.
Geschäftsführer Obermair hatte vor einigen Tagen die Manipulationsvorwürfe bei der Autowahl noch als Unterstellungen zurückgewiesen. Der Betrug soll unentdeckt geblieben sein, weil - so zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ den Geschäftsführer - nur Ramstetter Zugang zu allen Abstimmungsauszählungen gehabt habe.
Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung ergaben erste interne Untersuchungen beim ADAC, dass zumindest 2012 und 2013 die Zahl der Stimmen künstlich erhöht wurde. Nach Informationen der Zeitung sollen neben Ramstetter auch leitende Mitarbeiter der „ADAC Motorwelt“ in den Betrug eingeweiht gewesen sein. „Wir haben hier ganz klar einen Hauptverantwortlichen“, sagte Obermair, alles andere müsse die Prüfung zeigen.
Schlecht ist die Stimmung auch bei den ADAC-Mitarbeitern. „Es ist ein emotionaler Mix aus Empörung, Wut, Fassungslosigkeit“, beschrieb es Obermair. Kritik außerte er an Beschäftigten, die interne Informationen an die Medien weitergegeben hätten statt sich an den Geschäftsführer als Vorgesetzten Ramstetters zu wenden.