Analyse: Dämpfer für das Drehkreuz
Leipzig (dpa) - Der Frankfurter Flughafen sieht sich gerne in der Königsklasse der weltweiten Airports. Der Ausbau mit einer vierten Bahn und einem zusätzlichem Terminal soll die Position festigen und noch verbessern.
Doch künftig dürfen auf dem wichtigsten Drehkreuz für den Luftverkehr in Deutschland nachts dauerhaft keine Maschinen mehr landen und abheben.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte am Mittwoch zwar keine Einwände gegen den Ausbau insgesamt, bestätigte aber ein Nachtflugverbot zwischen 23.00 und 5.00 Uhr. Für Flüge in dieser Zeit gebe es nur geringen Spielraum, urteilten die obersten Verwaltungsrichter und kippten damit die ursprünglich vorgesehene Regelung. Das Land Hessen hatte 17 nächtliche Ausnahmen zugelassen und muss nun nachbessern.
Ein absolutes Verbot für Nachtflüge verhängten die Bundesrichter nicht. Die Hürden für Ausnahmen legten sie aber sehr hoch. Denkbar wäre etwa eine Genehmigung für wenige Maschinen mit eiliger Expressfracht. Und auch für die sogenannten Nachtrandstunden zwischen 22.00 und 23.00 Uhr sowie 5.00 und 6.00 Uhr gilt nun die Vorgabe aus Leipzig: Im Durchschnitt insgesamt höchstens 133 statt der zunächst vorgesehenen 150 Flüge pro Nacht. Hessens Verkehrsminister Dieter Posch (FDP) stellte unmittelbar nach dem Urteil klar, dass ein absolutes Nachtflugverbot zwischen 23.00 und 5.00 Uhr umsetzbar sei. „Wir werden in einem Planergänzungsverfahren dies machen.“
Die seit über einem Jahrzehnt andauernde Auseinandersetzung um Fluglärm ist damit aber noch nicht vorbei. Wieder einmal stehen sich bei einem großen Infrastrukturprojekt wirtschaftliche Interessen und der Ruf der Anwohner nach mehr Lärmschutz gegenüber. Das Rhein-Main- Gebiet ist dicht besiedelt, der Flughafen liegt mittendrin.
Für Nachtflüge in Deutschland gibt es keine einheitliche Regelung, im Luftverkehrsgesetz findet sich nur der vage Satz: „Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen.“ Deshalb muss für jeden Flughafen neu entschieden werden. Eine Signalwirkung des aktuellen Urteils auf andere Ausbauvorhaben von Flughäfen wie etwa München lässt sich daraus nur schwer ableiten.
Das Bundesverwaltungsgericht betonte aber erneut, dass es einen besonders geschützten Teil der Nacht gibt - für den künftigen Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg, der am 3. Juni in Betrieb gehen soll, liegt dieser zwischen 0.00 und 5.00 Uhr. Für Frankfurt war in einem Vermittlungsverfahren (Mediation) die Zeit zwischen 23.00 und 5.00 Uhr definiert worden. Außerdem wurde damals festgelegt: Ausbau ja, bei einem gleichzeitigen Nachtflugverbot.
Die hessische Landesregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) genehmigte Ende 2007 dennoch die 17 Ausnahmen, die jetzt höchstrichterlich verworfen wurden. Das ärgerte viele, doch so richtig formierten sich Proteste erst, als die Folgen des Flughafenausbaus im vergangenen Jahr unmittelbar spürbar wurden. Denn noch vor der Inbetriebnahme der neuen Landebahn im Oktober wurden die Flugrouten geändert.
Auf der anderen Seite ist der Flughafen ein riesiger Wirtschaftsfaktor, er bietet mehr als 70 000 Menschen Arbeitsplätze. Die Lichter gingen dort zwar nicht aus, als der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel im Oktober ein vorläufiges und bis heute geltendes Nachtflugverbot anordnete. Aber die Airlines fürchten Verluste und massive Wettbewerbsnachteile.
Schon in der mündlichen Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht Mitte März hatte der Vorsitzende Richter, Rüdiger Rubel, klargestellt: „Wenn ein Flughafen wie Frankfurt in der Champions League spielt, bedeutet dies nicht automatisch, dass dort rund um die Uhr geflogen werden darf.“ Diese Linie findet sich nun im Urteil wieder.
Ruhe dürfte damit im Rhein-Main-Gebiet aber nicht einkehren. Die Ausbaugegner haben schon angekündigt, dass ihnen Beschränkungen in der Nacht nicht reichen. „Die Nacht ist nach wie vor um Fünf rum. Deshalb werden wir den Kampf weiterführen“, sagte etwa Adolf Herrlein, Musterkläger und Anwohner aus Frankfurt-Sachsenhausen.