Analyse: Der arabische Frühling und Israels Alptraum
Tel Aviv (dpa) - Schockiert und verwirrt steht die Frau vor ihrem Auto. Die Seitenscheiben sind zerschossen, sie ist nur knapp mit dem Leben davongekommen.
Noch viel schlimmer sieht der grüne Reisebus aus, den die Attentäter am Donnerstag ebenso wie das Auto nördlich des Badeortes Eilat unter Feuer genommen hatten. Fernsehaufnahmen zeigen Einschusslöcher im Blech des Fahrzeuges von der Größe eines Zwei-Euro-Stückes. Große Seitenscheiben sind ebenfalls zerstört. Von einem Armeefahrzeug, das auf eine Sprengfalle fuhr, zeigt des Fernsehen gar keine Bilder. Insgesamt sieben Israelis starben, 31 wurden verletzt.
Israel hat damit am Donnerstag den blutigsten Terroranschlag seit März 2008 erlebt. Verteidigungsminister Ehud Barak reagierte prompt und gab Ägypten eine Mitschuld an den Anschlägen. „Die Angriffe sind ein Beweis für die geschwächte Kontrolle der Ägypter auf der Sinai-Halbinsel und das Erstarken terroristischer Gruppen dort“, sagte er in Tel Aviv.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte am Abend im Fernsehen, die Drahtzieher der Anschläge seien bereits getötet worden. Zuvor hatte die israelische Luftwaffe den Ort Rafah im Gazastreifen angegriffen und dabei nach palästinensischen Angaben den Chef der radikalen Splittergruppe „Volkswiderstands-Komitees“ (PRC), Awab Airab, getötet. Im Süden erschossen Spezialeinheiten der Polizei vier Attentäter. Nach drei weiteren werde gefahndet.
Israel hatte von Anfang an mit mulmigen Gefühlen auf den Umsturz in Kairo reagiert. Mubarak war immerhin jahrzehntelang der Garant für Ruhe an Israels Südgrenze. Rund 200 Kilometer lang ist die Grenze durch die Wüste. Anders als die rund zwölf Kilometer lange Grenze zum Gazastreifen ist sie jedoch an vielen Stellen nur schwer zu kontrollieren.
Zwar beeilte sich der ägyptische Gouverneur der Provinz Süd-Sinai, Chalid Foda, mit der Feststellung, die Angreifer seien auf keinen Fall von Ägypten aus nach Israel eingedrungen. Aber ein anderer ägyptischer Spitzenbeamter, der ungenannt bleiben wollte, hielt die Worte des Gouverneurs für voreilig. In den vergangenen Wochen hätten die ägyptischen Sicherheitskräfte im Norden der Halbinsel ihre Operationen gegen militante Islamisten verstärkt. Es sei daher durchaus denkbar, dass einige von ihnen geflohen und über die Grenze nach Israel gelangt seien.
In israelischen Medien wurde spekuliert, die Attentäter könnten aus dem Gazastreifen durch einen der vielen hundert Schmugglertunnel unter der Grenze hindurch nach Ägypten gekommen sein. Von dort hätten sie an unbewachter Stelle die Grenze zu Israel überquert.
Auch Barak vermutete zumindest die Drahtzieher im Gazastreifen bei der dort herrschenden radikalislamischen Hamas. Israel werde mit aller Härte und Entschiedenheit reagieren, warnte der Minister. Nur Stunden später starben bei einem israelischen Luftangriff auf den Ort Rafah im Gazastreifen nach palästinensischen Angaben sechs Menschen.
Das führende Hamas-Mitglied Ahmed Jussef distanzierte sich auch nur sehr zögerlich von den Angriffen. „Ich glaube nicht, dass Hamas hinter den Angriffen steht“, sagte er. Und fügte hinzu: „Aber wir preisen die Attentäter, denn sie haben israelische Soldaten angegriffen“. Die Hamas beherrscht den Gazastreifen seit Mitte Juni 2007 und spricht Israel das Existenzrecht ab.
Viele der rund 1,6 Millionen Palästinenser im Gazastreifen wappneten sich unterdessen gegen mögliche weitere Vergeltungsschläge Israels und deckten sich vorsorglich mit Benzin und Nahrungsmitteln ein.
Die blutigen Anschläge haben auch Konsequenzen für die Protestbewegung gegen hohe Mieten und soziale Ungerechtigkeit in Israel. Die für dieses Wochenende geplanten Kundgebungen wurden abgesagt. Sicherheit hat in Israel noch immer höchste Priorität. Und etwaige Forderungen, bei den Militärausgaben zu sparen, um in Wohnungsbau und andere soziale Bereiche zu investieren, dürften angesichts der Lage vorerst verstummen.