Analyse: Der Aufschwung rückt näher

München (dpa) - Die deutsche Wirtschaft lässt sich von einem schwachen Jahresstart nicht aus der Bahn werfen. Vielleicht kommt der Aufschwung etwas später als erhofft - aber er kommt, sind viele Experten überzeugt.

Gut gefüllte Auftragsbücher in der Industrie, die anziehende Kauflaune der Verbraucher und ein robuster Arbeitsmarkt: Das alles sind positive Signale für die Konjunktur, die in der zweiten Jahreshälfte wieder spürbar in Gang kommen dürfte, erwartet beispielsweise die DZ Bank. Im krisengeplagten Europa könnte die deutsche Wirtschaft damit der Fels in der Brandung bleiben.

Vor allem der überraschend deutliche Anstieg des Ifo-Geschäftsklimaindex von 104,4 auf 105,7 Punkte sorgte am Freitag für vorsichtige Zuversicht bei Volkswirten. Große Sprünge erwarten die Experten dabei noch nicht, wie die Wachstumsprognosen für das laufende Jahr zwischen 0,2 und gut einem halben Prozent belegen. Verglichen mit dem Euro-Raum, der zurzeit in der Rezession steckt und auch im Gesamtjahr mit einem Minus abschließen dürfte, wäre das aber schon „respektabel“, schreibt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Für Euphorie sehen die Experten noch keinen Anlass: Risiken wie die anhaltende Schuldenkrise in der EU und die Furcht vor einem Handelskrieg mit dem wichtigen Exportmarkt China müssen die Unternehmen im Auge behalten. Derzeit allerdings verspricht sich die deutsche Industrie auch für die kommenden Monate noch gute Exportchancen, sagt Ifo-Konjunkturexperte Gernot Nerb. „Das US-Geschäft läuft noch relativ gut.“ Und auch abseits von China gebe es durchaus interessante Märkte in Asien wie Indonesien, Vietnam oder Malaysia.

Die hiesigen Verbraucher lassen die harten wirtschaftlichen Fakten ohnehin weitgehend unberührt. Zwar stürzte die Konsumstimmung nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 in den Keller. Doch der Konsumklimaindex, der als Gradmesser für das Verbrauchervertrauen gilt, berappelte sich überraschend schnell. Inzwischen ist die Stimmung der Konsumenten trotz anhaltender Rezession im Euro-Raum wieder so gut wie im Spätsommer 2007, wie das Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK am Freitag meldete.

Konsumforscher erklären dies mit verschiedenen Faktoren: Zum einen sei die Schuldenkrise mit einer wahren Flut an Hiobsbotschaften, drohenden Staatspleiten, hektischen Rettungspaketen und gehebelten Rettungsschirmen derart komplex geworden, dass viele Menschen den Anschluss verloren hätten. Auch ging die Diskussion plötzlich um dreistellige Milliardenbeträge, selbst Billionen Euro standen im Raum - Summen, die sich die meisten gar nicht mehr konkret vorstellen können. Die Folge: Viele Bürger klinkten sich aus der Thematik aus.

Zumal die Deutschen im Gegensatz zur Bevölkerung der Problemländer in ihrem persönlichen Umfeld bis heute wenig von der Krise spüren. Im Gegenteil: Die wichtigsten Faktoren für die Ausgabefreudigkeit des Einzelnen - das Einkommen und die Sicherheit des Arbeitsplatzes - sind ausnehmend positiv. So ergaben die jüngsten Tarifabschlüsse deutliche Lohnzuwächse. Und der Arbeitsmarkt stagniert nach drei Boomjahren zwar seit vergangenem Herbst, doch liegt die Beschäftigung weiterhin auf Rekordniveau. Zudem erwarten Experten, dass die Arbeitslosigkeit jetzt im Mai wieder unter die Marke von drei Millionen gesunken ist.

Ein ungefährdeter Arbeitsplatz ermöglicht wiederum die nötige Planungssicherheit für größere Ausgaben. Hinzu kommt, dass es wegen der niedrigen Zinsen derzeit ohnehin reichlich unattraktiv ist, das Geld zur Bank zu tragen: Für Sparguthaben gibt es so gut wie keine Zinsen, so dass Vermögen auf dem Sparbuch oder dem Tagesgeldkonto selbst bei der aktuell niedrigen Inflation angenagt werden. Viele setzen deshalb auf Immobilien oder andere werthaltige Anschaffungen.

„Aber das wird sicherlich nicht endlos weitergehen, dass der Konsum davon profitieren kann“, betont GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl. Derzeit jedoch gebe es nur wenige sichere Alternativen. „Dafür müsste man ein höheres Risiko eingehen, doch davor scheuen viele Haushalte zurück.“ Einen Trost hat Bürkl für die Sparer: „Es ist nicht zu erwarten, dass das Zinsniveau auch für Anlagen noch weiter nach unten geht, weil die Zinsen schon extrem niedrig sind.“