Analyse: Der chinesische Drache lahmt

Peking/Frankfurt (dpa) - Chinas Wirtschaft läuft nicht mehr unter dem Volldampf voriger Jahre - heimische Firmen und Investoren aus aller Welt setzen daher auf neue Rezepte und klare Ansagen der Politik.

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In der Hoffnung auf frischen Schwung blicken Beobachter gespannt auf den am Donnerstag beginnenden Volkskongress der Kommunistischen Partei. Wie geht es weiter mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt?

Der einst ungetrübte Boom hat sich zu einer durchwachseneren Lage gewandelt. Erst am Wochenende drehte die Notenbank zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten mit einer Zinssenkung die Geldhähne auf.

Das Kalkül: Geschäftsbanken sollen billiges Geld an die Unternehmen weitergeben, so dass diese leichter Kredite für neue Investitionen aufnehmen können. In China hängt die weitere Konjunkturentwicklung aber auch stark von den Maßnahmen ab, mit denen die Regierung den weiteren Umbau ihrer Wirtschaftsstrategie vorantreiben und eine harte Landung nach den Rekordzuwächsen der Vergangenheit verhindern will.

Auch deutsche Unternehmen erhoffen sich vom Volkskongress Hinweise darauf, wie der Ausbau von Infrastruktur, erneuerbaren Energien und Elektromobilität vorankommt. Chinas Wirtschaft - unverzichtbarer Absatzmarkt für viele deutsche Firmen - kühlt sich im Vergleich zu den zweistelligen Wachstumsraten der Vergangenheit stark ab. 2014 wuchs sie mit 7,4 Prozent so wenig wie seit 24 Jahren nicht mehr.

Aus Angst vor Unmut in der Bevölkerung hat sich die Kommunistische Partei auch dem Umweltschutz verschrieben. Die Regierung hat sich unter anderem ehrgeizige Ziele bei Elektrofahrzeugen gesetzt - ein großes Thema auch für die exportstarken deutschen Autobauer.

Umgekehrt soll auch Chinas Wirtschaft aus Sicht der Führung nicht länger nur an den Ausfuhren hängen, sondern vom Binnenkonsum gestützt werden. Analyst Frederik Kunze von der NordLB geht weiterhin von einer sanften Landung der Konjunktur aus. Die Regierung in Peking sei der Entwicklung bisher immer einen Schritt voraus gewesen: „Man ist nicht gewillt, das Wachstum zu sehr nach unten abdriften zu lassen.“

Der Immobilienmarkt im Reich der Mitte hat sich unterdessen gefährlich aufgeheizt. Lokale Regierungen haben sich zum Ausbau der Infrastruktur in den vergangenen Jahren zudem enorm viel Geld geliehen. Skeptiker befürchten nun das Platzen einer Schuldenblase - mit einem drohenden erheblichen Dämpfer für die Weltwirtschaft.

Die Politik könne auf eine noch stärkere Abkühlung zum Beispiel mit weiteren Infrastrukturprojekten reagieren, glaubt Kunze. Sie will vor allem in den küstenfernen Provinzen im Westen Chinas die Verkehrswege ausbauen, um den Handel mit Europa unabhängiger von den Seewegen zu machen und die sozialen Ungleichgewichte innerhalb des riesigen Landes abzubauen. Während des halsbrecherischen Wachstums der Vergangenheit waren viele Arbeiter aus diesen Regionen in die Zentren des verarbeitenden Gewerbes an der Küste im Osten umgesiedelt.

Im schlimmsten Fall könnten einzelne Branchen jedoch in eine Krise abrutschen, warnt Kunze. Dazu zählt er etwa Bergbau, Immobilien und Bauwirtschaft. Andere Wirtschaftszweige wie Dienstleistungen profitierten aber von den Veränderungen in der chinesischen Wirtschaft. Insgesamt erwartet der Experte ein Wachstum von 7,3 Prozent in diesem und immerhin 6,9 Prozent im kommenden Jahr.

„China hat alle Werkzeuge, die es braucht, um gegen jedwede Abkühlung anzugehen“, heißt es bei der Berenberg-Bank. Gleichzeitig bewege sich die Regierung aber auf einem schmalen Grat: Sie versuche einerseits, den Konsum der Verbraucher anzukurbeln - andererseits müsse sie darauf achtgeben, das rasante Wachstum der Kredite zu verlangsamen.

Die Anti-Korruptionskampagne von Präsident Xi Jinping dürfte auf der jährlichen Sitzung der rund 3000 Delegierten insofern zwar offiziell der zentrale Punkt sein. Daneben werden aber auch eine Reihe weiterer Wirtschaftsthemen wie eben die Preisentwicklung, aber auch die weitere Öffnung von Chinas Finanzmarkt auf der Tagesordnung stehen.