Analyse: „Der Tiger brüllt wieder“
Islamabad (dpa) - Das Symbol von Nawaz Sharifs Muslim-Liga (PML-N) ist der Tiger. Als Maskottchen auf Kundgebungen vor der Parlamentswahl am Samstag diente ein echter weißer Tiger, der einem Sharif-Fan gehört und dessen Tod die Zeitung „Dawn“ kürzlich meldete.
Ein schlechtes Omen, so schien es. Doch dann recherchierte die britische BBC, dass das Tier trotz Wahlkampf-Strapazen noch lebt. Als unverwüstlich hat sich auch Sharif erwiesen, der schon zweimal Premierminister Pakistans war - und dessen konservative Partei nach inoffiziellen vorläufigen Ergebnissen vom Sonntag einen Erdrutschsieg bei der Parlamentswahl einfahren dürfte.
„Der Tiger brüllt wieder“, titelte die Zeitung „Dawn“ am Sonntag. Kämpferisch hatte sich Sharif schon als Regierungschef 1990 bis 1992 und 1997 bis 1999 gezeigt, als er sich wahlweise mit der mächtigen Armee oder dem Verfassungsgericht anlegte. 1992 wurde er vom damaligen Präsidenten und dem Militär aus dem Amt gedrängt, offizieller Grund waren Korruptionsvorwürfe. 1999 putschte der von Sharif eingesetzte Armeechef Pervez Musharraf gegen den Premier. Sharif ging im Jahr darauf ins Exil nach Saudi-Arabien. Lange Zeit verstummte der Tiger. Doch nach seiner Rückkehr in die Heimat 2007 arbeitete Sharif stetig daran, seine Macht wieder auszuweiten.
Mit Erfolg, wie Sharif nun eindrucksvoll bewiesen hat. Noch während der Auszählung der Stimmen erklärte er sich zum Wahlsieger. „Wir müssen Gott dem Allmächtigen dafür danken, dass er der PML-N eine weitere Möglichkeit gibt, Pakistan und der Nation zu dienen“, sagte der mutmaßliche künftige Premierminister vor Anhängern in seiner Heimatstadt Lahore. „Jetzt betet, dass Gott uns mit einer (absoluten) Mehrheit segnet.“ Ob dieses Gebet erhört wird, war am Sonntag zunächst noch offen. Nach inoffiziellen vorläufigen Ergebnissen steuerte die Partei - die 2008 nur 69 der 272 Sitze gewonnen hatte - aber auf einen spektakulären Sieg zu.
An zweiter Stelle landete demnach die Partei Tehreek-e-Insaf (Bewegung für Gerechtigkeit/PTI) von Kricket-Legende Imran Khan, der den Wahlkampf kräftig aufmischte und nun eine gewichtige Rolle in der Politik spielen wird. PTI-Vizepräsident Asad Umar gratulierte Sharif und sprach von einem „großen Tag für die Demokratie“. Eine schallende Ohrfeige verpassten die Wähler der bislang regierenden Volkspartei PPP der Ende 2007 ermordeten Ex-Premierministerin Benazir Bhutto: Sie landete voraussichtlich weit abgeschlagen auf dem dritten Platz.
Die Wähler machten die Partei von Präsident Asif Ali Zardari, der eine Wiederwahl durch das neue Parlament im September wohl abschreiben kann, für zahlreiche Krisen verantwortlich: Die Sicherheitslage ist katastrophal, die Taliban verbreiten Terror. Die Wirtschaft steht vor dem Kollaps, ausländische Investoren haben die Flucht ergriffen. Selbst in der Hauptstadt Islamabad fällt jeden Tag stundenlang der Strom aus. Gas zum Kochen und Heizen, aber auch als bezahlbarer Auto-Treibstoff ist Mangelware. Sharif, der sich zunächst auf die Bewältigung der Wirtschaftskrise konzentrieren will, steht vor einem Berg an Problemen.
Dass laut Umfragen die meisten Pakistaner die PPP für die korrupteste Partei halten, wird ihr bei der Wahl ebenfalls nicht geholfen haben. Eine schallende Ohrfeige verpassten die Wähler aber auch den pakistanischen Taliban (TTP). Die TTP glaubt, dass das „unislamische demokratische System (...) nur den Interessen von Ungläubigen und Feinden des Islams dient“. Mit Terror wollten die Taliban den Pakistanern ihr Recht rauben, ihre Stimme abzugeben. Obwohl am Wahltag bei Anschlägen und Angriffen fast 30 Menschen getötet und mehr als 90 verletzt wurden, scheiterten die Extremisten auf ganzer Linie.
Nach Angaben der Wahlkommission wählten knapp 60 Prozent der mehr als 86 Millionen Stimmberechtigten - Medienberichten zufolge war es die stärkste Beteiligung seit der ersten Parlamentswahl Pakistans 1970.