Analyse: Die Affäre hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack
Berlin (dpa) - Juristisch hat sich die Landesverrats-Affäre jetzt weitgehend erledigt. Politisch sie aber noch lange nicht ausgestanden.
Denn der Streit zwischen dem inzwischen geschassten Generalbundesanwalt Harald Range und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat eine heftige Debatte über Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz in Gang gesetzt.
Für den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Konstantin von Notz, hat der Fall gezeigt: „Wir brauchen endlich eine öffentliche Diskussion darüber, was überhaupt in freiheitlichen Rechtsstaaten geheim sein darf, für wie lange und wer darüber entscheidet.“ Als vertraulich eingestuft ist zum Beispiel auch die rechtliche Einschätzung des Bundesjustizministeriums zum Netzpolitik-Fall, auf deren Grundlage der amtierende Generalbundesanwalt Gerhard Altvater jetzt die Ermittlungen gegen die Blogger eingestellt hat.
Wer in dieser Affäre als Gewinner und wer als Verlierer vom Platz geht, ist so einfach nicht zu sagen. Denn Bundesjustizminister Maas hat sich zwar mit seiner Auffassung durchgesetzt, bei dem Bericht der Blogger handele es sich nicht um die Veröffentlichung eines Staatsgeheimnisses mit der Absicht, der Bundesrepublik zu schaden.
Damit war er auf einer Linie mit Netzpolitikern, linken Parteikollegen und Journalisten, die auf den Justizminister vor dieser Affäre gar nicht so gut zu sprechen gewesen waren. Sie haben ihn vor der Sommerpause als „Umfaller“ geschmäht, weil er dem Drängen von Parteichef Sigmar Gabriel für die Einführung einer neuen Vorratsdatenspeicherung nachgegeben hat. Aus Sicht der Netzgemeinde hätte Maas in dieser Affäre zwar schon früher einschreiten sollen, aber immerhin dass er es schließlich doch noch getan.
Mit der Art und Weise, wie sein Ministerium jetzt beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe intervenierte, hat sich der Jurist Maas allerdings unter seinen Standeskollegen einige Feinde gemacht. Scharfe Kritik kam unter anderem vom Deutschen Richterbund und aus der Riege der Strafverteidiger.
Auf der Verliererseite steht eindeutig Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, der die Landesverrats-Ermittlungen von Generalbundesanwalt Harald Range durch seine Strafanzeigen überhaupt erst ausgelöst hatte. „Maaßens Angriff auf die #Pressefreiheit ist abgeprallt und trifft ihn selbst“, twittert die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast (Grüne).
Maaßens einziger Trost: Zumindest derjenige, der das Konzept seiner Behörde für den Ausbau der Internet-Überwachung an Netzpolitik.org weitergegeben hat, muss weiter zittern. Denn die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Verletzung des Dienstgeheimnisses gehen weiter.
Ob Harald Range als Verlierer gelten kann, ist nicht so klar. Denn seinen Job als Generalbundesanwalt ist er zwar los. Allerdings gibt es sicher schlimmere Schicksalsschläge, als mit 67 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand geschickt zu werden. Das gilt vor allem, wenn man sich noch so einen knalligen Abgang verschaffen kann wie Range, der Maas in seiner letzten Pressekonferenz frontal angegriffen hat.
Als klare Gewinner können sich in dieser Affäre höchstens die Journalisten und Blogger fühlen. Der Blog Netzpolitik.org hat durch das jetzt eingestellte Ermittlungsverfahren zudem eine enorme Bekanntheit erreicht. In der Netzgemeinde haben die Blogger Markus Beckedahl und Andre Meister fast schon Heldenstatus erlangt.
Das heißt aber nicht, dass Journalisten nach der Entscheidung aus Karlsruhe generell nichts mehr zu befürchten hätten, wenn sie vertrauliche Unterlagen veröffentlichen. Die Funke-Mediengruppe nahm in der vergangenen Woche nach Androhung einer Zwangsvollstreckung Dokumente zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan aus dem Netz.
Das Oberlandesgericht Köln hatte zuvor in einem Rechtsstreit, den das Verteidigungsministerium angestrengt hatte, zugunsten der Behörde entschieden. Das Verteidigungsministerium berief sich in seiner Klage nicht etwa auf den Landesverrats-Paragrafen, sondern auf das Urheberrecht. Über eine Nichtzulassungsbeschwerde der Mediengruppe beim Bundesgerichtshof ist noch nicht entschieden worden.