Verstärkte Abwehrreflexe gegen Asylbewerber vom Westbalkan
Berlin (dpa) - Angesichts von rund 100 000 Asylbewerbern aus den Ländern des Westbalkans schalten Politik und Behörden verstärkt auf Abwehr um.
So soll nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein seit August geltendes Gesetz dafür sorgen, bei offensichtlich unbegründeten Anträgen eine Wiedereinreisesperre und ein Aufenthaltsverbot für das Schengen-Gebiet auszusprechen. Laut Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sollen Asylsuchende vom Balkan viel schneller in ihre Heimat zurückgeschickt werden.
Ein großer Teil der Asylbewerber kommt nicht aus Bürgerkriegsländern, sondern etwa aus Albanien und dem Kosovo. Kauder sagte der „Welt am Sonntag“: „Wir sollten Menschen, die mit großer Wahrscheinlichkeit kein Asylrecht erhalten, nicht mehr weiter an die Kommunen verteilen. Sie sollten direkt aus den Erstaufnahmeeinrichtungen in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Wer etwa aus dem Kosovo kommt, sollte innerhalb eines Monats wieder in seine Heimat zurück.“
BAMF-Chef Manfred Schmidt sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Signal einer Wiedereinreisesperre könne sein: „Wenn Du diesen Weg beschreitest, droht Dir nicht nur Rückführung in Dein Herkunftsland, sondern dass Du auch auf legalem Weg nicht mehr in ein Schengen-Land einreisen darfst.“ Derzeit stellten viele abgelehnte Asylbewerber schon nach kurzer Zeit erneut einen Antrag. „50 Prozent der 20 000 Folgeanträge kommen aus dem Westbalkan. Wir haben hier so eine Art Drehtüreffekt.“ Um Verfahren von Asylbewerbern aus Staaten mit geringer Anerkennungsquote zu verkürzen, müsse man eventuell auch Leistungen reduzieren. Schmidt regte erneut an, das Taschengeld von etwa 140 Euro monatlich für Asylbewerber vom Westbalkan zu kürzen oder durch Sachleistungen zu ersetzen.
Von bislang rund 200 000 Asylanträgen, die dieses Jahr in Deutschland gestellt wurden, kamen Schmidt zufolge 97 000 Menschen aus Ländern des westlichen Balkans. Von ihnen würden aber nur 0,1 bis 0,2 Prozent als Flüchtlinge anerkannt. Dagegen stammten etwa 44 000 Anträge von Flüchtlingen aus Syrien - ihnen wird zu 85 Prozent Schutz gewährt. „Das heißt, es sind doppelt so viele Anträge aus dem Balkan wie aus der Krisenregion, die wir abends im Fernsehen sehen. Diese Zahlen zeigen, da ist etwas aus dem Gefüge geraten“, so der BAMF-Chef.
Die Probleme der Kommunen mit steigenden Flüchtlingszahlen stehen im Mittelpunkt der nächsten Bund-Länder-Gespräche am 9. September. Den Termin nannte das Kanzleramt der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die Regierung stellt den Ländern weitere Finanzhilfen in Aussicht. Bei den Gesprächen soll es der Zeitung zufolge aber auch um eine Ausweitung des Kreises sicherer Herkunftsstaaten auf das Kosovo, Albanien und Montenegro gehen.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, eine Ausweitung der sicheren Herkunftsländer dürfe kein Tabuthema sein. „Wir können die Akzeptanz der Menschen in Deutschland für die Aufnahme von Flüchtlingen in Not nur erhalten, wenn wir auch glaubhaft daran arbeiten, Verfahren zu beschleunigen und bei denjenigen, die keine Chance auf Anerkennung haben, Klarheit schaffen.“
FDP-Chef Christian Lindner forderte einen Strategiewechsel, „um den Zuzug nach Deutschland zu ordnen“. Lindner sagte der dpa, alle Balkan-Staaten müssten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden, um bei aussichtslosen Anträgen schneller abschieben zu können. „Zweitens sollte für diese Staaten wieder eine Visa-Pflicht eingeführt werden. Auf der anderen Seite gehört zu diesem Thema auch eine neue Offenheit für qualifizierte Zuwanderung“, so der Vorsitzende der 2013 im Bund abgewählten Liberalen. In Deutschland solle „die Einreise für Qualifizierte, die Arbeit suchen, durch ein Job-Visum erleichtert werden“, gerade auch für Bewerber vom Balkan mit Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, empfahl Lindner.