Analyse: Die alte Tante Monarchie - sie lebt
London (dpa) - Die britischen Royals sind seit Generationen die Weltmarktführer der Selbstinszenierung - mit der Hochzeit von Prinz William und seiner Kate haben sie diese Stellung noch einmal ausgebaut.
Rund eine Million Menschen in den Straßen und auf den Plätzen Londons und hunderte Millionen vor den Fernsehschirmen in aller Welt sahen die Trauung der 29 Jahre alten Bürgerlichen mit dem Prinzen.
Die Kommentatoren waren sich schnell einig: Die Briten gaben am ein beeindruckendes Bekenntnis zu ihrer fast 1000 Jahre alten Monarchie ab. Die Krone zeigte mit einer Zeremonie voller Prunk und Symbolik, wozu sie auch im Zeitalter von Internet und Cyber-Idolen noch fähig ist. Die Trauung, wieder und wieder geprobt und schließlich pünktlich und exakt abgespult, war auch eine Demonstration nach dem Motto: „Die alte Tante Monarchie - sie lebt“.
Von William und Kate, die sich auf dem Balkon des Buckingham Palastes fast verschämt küssten, erhoffen sich ihre Landsleute Erneuerung und Modernisierung - obwohl der Prinz noch nicht einmal Thronfolger ist. Und damit meinen sie nicht die vulgäre Art mit Affären und Skandalen aus der Generation Charles. Des Volkes Wille trifft die Ziele des Königshauses selbst. Anpassen, so wenig wie möglich und so viel wie nötig, um zu überleben. Das ist das Ansinnen der britischen Monarchen, seit sie nicht mehr die politische Macht in der Hand halten. Queen Elizabeth II., Oberhaupt der Windsor-Familie, hat das Prinzip in ihrem Zeitalter verinnerlicht.
William und Kate sollen ein neues Kapitel der Volksnähe aufschlagen. „Ein Hauch von Frühling“, sei zu spüren, sagt der britische Historiker Simon Schama - nicht nur wegen der blühenden Feldahorn-Bäume, die Kate Middleton zum Schmuck in die Westminster Abbey hat bringen lassen. „Es geht in Wahrheit darum, dass die nächste Generation etwas Altes auffrischt für die Zukunft“, sagte Schama. Ein britischer Journalist schrieb: „Es war mehr wie bei einer Gartenparty als bei einer Hochzeit.“
Kate und William haben die Gabe, Tradition und Zeitgeist zu verbinden. Im State Landauer von 1902, in dem 1947 schon die Queen zur Hochzeit gefahren wurde, brachte William seine Kate von der Kirche zum Palast. Am Nachmittag setzte er sich selbst ans Steuer eines schicken Aston-Martin Cabriolets und fuhr seine Gattin zur Residenz seines Vaters. „Just wed“ stand auf dem Kennzeichen des mit Luftballons geschmückten Sportwagens - wie bei einem ganz normalen Ehepaar.
Fanfarenklänge, tragende Hymnen, altes Englisch und militärisch zackiger Salut - das prägte den Traugottesdienst. William erträgt und genießt den Pomp, den er nie richtig ernst nahm. Das Gebet zu ihrer Trauung verfassten er mit seiner Braut - ganz modernes Paar - selbst. Am Abend, als die Queen nicht mehr dabei war, sollte zu Disco-Rhythmen getanzt werden.
Kate und William können zum Jux des Volkes Pfannkuchen in der Luft wenden und Gummibote taufen. William kann aber auch kluge Sätze zum Hunger in der Welt sagen und Erdbebenopfer in Neuseeland ohne Pathos trösten. Der Prinz wirkte an seinem großen Tag im roten Uniformrock eines Ehrenoberst der Irish Guards genauso echt wie zwei Tage vorher im Fußballdress. Kate kann Cowboyhut und Jeans tragen und Mountainbike fahren, aber sah in der traumhaften Robe, die Designerin Sarah Burton für sie geschneidert hat, noch besser aus.
Das Paar hat seine Doppel-Linie schon lange angedeutet. Alte Hasen im Palast wünschen ihnen viel Glück dabei, räumen ihnen aber nicht allzu große Chancen ein. „Sie wissen nicht, was auf sie zukommt“, heißt es, wenn Kate und William davon reden, in den nächsten Jahren erst einmal ihr privates Leben leben zu wollen, dort oben im Norden von Wales, wo sie es in ihrem Miets-Cottage am Ende eines Feldwegs so romantisch gemütlich gemacht haben.
Die Queen selbst zeigte am Freitag noch einmal eindrucksvoll, wer eigentlich Herr im Hause ist. Die Bürgerliche Kate Middleton wollte per Heirat gern Prinzessin werden, so wird es zumindest kolportiert. Daraus wurde im Geflecht von Regeln, Gesetzen und tradierten Bräuchen im Buckingham Palast nichts.
Die Queen verlieh ihrem Enkel noch vor der Trauung - gegen dessen erklärten Willen - den Titel Herzog von Cambridge. Damit ist seine Frau erst einmal Herzogin. Die Queen wählte damit die konservative Variante. Die Chefin der „Firma“ - wie der Palastbetrieb in London genannt wird - hätte es auch anders machen können.