Analyse: Die EU schickt plötzlich eilig Militärs nach Mali
Brüssel (dpa) - Jetzt soll plötzlich alles ganz schnell gehen in Mali. Dabei war die Krise, deretwegen die EU-Außenminister am Donnerstag zu einer Sondersitzung nach Brüssel eilten, seit Monaten absehbar.
Seit Sommer 2012 hatte vor allem Frankreich immer wieder versucht, die anderen EU-Regierungen darauf aufmerksam zu machen, dass der Norden des westafrikanischen Staates Mali von diversen Untergruppen des Terrornetzwerkes Al-Kaida kontrolliert wurde. Die Bewaffneten sehen sich als islamistische Gotteskrieger, die malische Regierung hält sie für Kriminelle und Terroristen.
Bei der Europäischen Union schrillten die Alarmglocken erst, als die Kämpfer die Sahara verließen und sich auf den Weg ins sogenannte „nützliche Mali“ mit der Hauptstadt Bamako im Süden machten. Nun sollen EU-Militärausbilder die kaum motivierten, schlecht ausgerüsteten und dürftig bezahlten Soldaten der malischen Armee für den Kampf gegen die Islamisten fit machen.
Zuvor hatte Frankreich - Gründungsmitglied der EU und einstige Kolonialmacht Malis - mit seinem Militäreinsatz Fakten geschaffen, die die EU zu rascher Bewegung zwangen. Eigentlich hatte der Auswärtige Dienst der Britin Catherine Ashton erst Ende März damit beginnen wollen, Militärausbilder nach Mali zu schicken. Das malische Militär, das im April 2012 Staatspräsident Amadou Toumani Touré aus dem Amt putschte, sollte im September 2013 gemeinsam mit gut 3300 Soldaten der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas den Norden wieder unter Kontrolle der Regierung in Bamako bringen.
Die Terroristen hielten sich nicht an den gemächlichen Zeitplan der EU. Noch im Dezember hatten Afrikakenner der EU-Bürokratie über Streit zwischen den Aufständischen und den im Norden heimischen Tuareg spekuliert, auf neue, später geplatzte, Termine im innenpolitischen Dialog verwiesen und gehofft, es werde schon alles nicht so schlimm kommen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn räumte am Donnerstag selbstkritisch ein, es sei ein Fehler gewesen, dass man noch im Dezember „geglaubt hatte, man könne Monate und Monate warten“.
Sein deutscher Kollege Guido Westerwelle sah das ganz anders. Niemand habe ahnen können, dass sich die Rebellen plötzlich entschlössen, den unwirtlichen Wüstenteil des Landes zu verlassen und die Hauptstadt Bamako ins Visier zu nehmen. „Man kann nicht in die Köpfe von Terroristen schauen“, sagte er zur Begründung. „In der letzten Woche hat sich die Lage zugespitzt.“ Bis dahin habe immer noch die Möglichkeit einer politischen Lösung bestanden. „Weder bei der Zeitachse noch bei den Zielen kann ich Anlass zur Kritik entdecken.“
Die Europäische Union nahm mit dem Mali-Einsatz auch von der früheren Vorstellung Abschied, bei Gefahren für die Sicherheit der EU selbst eine militärische Rolle spielen zu können oder zu müssen. Ein Kampfeinsatz stand nicht zur Debatte. Die 2003 stolz aus der Taufe gehobenen „Battlegroups“ als „Krisenreaktionskräfte“ der EU dämmern auch im zehnten Jahr ihres Bestehens auf dem Papier dahin: Bisher konnten sich die EU-Regierungen noch nie darauf einigen, sie einzusetzen. „Ausbildung und humanitäre Einsätze sind das, was wir am besten können“, sagte ein EU-Diplomat.
Dazu gehört, dass der EU vermutlich schon bald eine größere Rechnung präsentiert wird. Denn die afrikanischen Staaten, die sich an der Ecowas-Mission beteiligen wollen, verfügen über ebenfalls schwache und schlecht ausgerüstete Armeen. Schon in Kürze dürften sie in Brüssel vorstellig werden, um Material - von Fahrzeugen bis hin zu Waffen - entweder geschenkt oder finanziert zu bekommen.