Analyse: Die Müller-Müller-Option
Bamberg (dpa) - Bei der Suche nach dem neuen Landwirtschaftsminister ist eines in der CSU unwichtig: die persönliche Qualifikation auf dem Acker und im Kuhstall. Von jedem Spitzenpolitiker kann erwartet werden, dass er sich in die Materie einarbeitet.
Entscheidend ist etwas ganz Anderes: der bayerische Regionalproporz. Der gestürzte Minister Hans-Peter Friedrich stammt aus Oberfranken, dem kleinsten Regierungsbezirk im Nordosten des Freistaats, dort ist er auch CSU-Bezirksvorsitzender. Damit muss eigentlich wieder ein Franke Minister werden - entweder als Landwirtschaftsminister oder bei einer Kabinettsrochade. Denn das CSU-interne Machtgefüge ist fein austariert.
Ein Oberfranke aber werde es nicht unbedingt werden, sagen mehrere Delegierte auf dem CSU-Parteitag am Samstag in Bamberg. Heiß gehandelt wurde am Sonntag in der CSU die Müller-Müller-Option: Neuer Agrarminister werden könnten entweder Stefan Müller aus Erlangen, bisher Staatssekretär im Wissenschaftsministerium oder Gerd Müller, der Entwicklungsminister.
Gerd Müller ist Agrarfachmann und kennt das Ministerium. Der 1955 geborene Müller war bis vor wenigen Monaten Staatssekretär im Haus - hat aber den Nachteil, Schwabe zu sein.
Sollte er dennoch Agrarminister werden, müsste aus Proporzgründen auf jeden Fall ein Franke das Entwicklungsministerium übernehmen. Praktischerweise stünde ein passender Mittelfranke in Gestalt von Müllers bisherigem Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung.
Der 1957 geborene Schmidt ist einer von CSU-Chef Horst Seehofers vier Stellvertretern. Auch diesen Parteiposten hat er dem Proporz zu verdanken: Schmidt repräsentiert in der katholisch dominierten engsten CSU-Spitze die Protestanten. Qualifiziert als Entwicklungshilfeminister wäre er aber zweifellos. Schmidt war im Bundestag über Jahre in der Sicherheits- und Außenpolitik aktiv und früher Verteidigungsstaatssekretär.
Wissenschaftsstaatsekretär Stefan Müller gilt seit Jahren einer der kommenden Leute in der CSU. Der frühere Chef der bayerischen JU hat parteiintern den Ruf, seriös, kompetent und zuverlässig zu sein. Dass er sich in die Agrarpolitik einarbeiten könnte, bezweifelt niemand. Dem Vernehmen nach hält Kanzlerin Angel Merkel (CDU) viel von ihm.
Neben den beiden Müllers war in der CSU am Wochenende aber auch eine andere Variante im Gespräch: die blitzartige Rückkehr Friedrichs auf seinen einstigen Lieblingsjob als CSU-Landesgruppenchef. Und da der Landesgruppenchef in der CSU-Hierarchie ebenso viel zählt wie ein Ministeramt, könnte unter diesen Umständen sogar eine Nicht-Fränkin Agrarministerin werden: die derzeitige Landesgruppenchefin Gerd Hasselfeldt. Sie stammt aus Niederbayern und kandidiert in Oberbayern.
Diese Lösung galt CSU-intern allerdings nicht als übermäßig wahrscheinlich - in der engeren Parteiführung wurde sie am Sonntagabend gar als abwegig bezeichnet. Es ist kein Geheimnis in der CSU, dass Seehofer von Friedrich nicht allzu viel hält. Und Hasselfeldt ist gerne Landesgruppenchefin und wehrte sich bereits bei der Regierungsbildung gegen die Übernahme eines Ministerpostens.
CSU-intern als chancenlos gilt Verkehrsstaatssekretärin Dorothee Bär, eine Unterfränkin. Aus dem Rennen war am Sonntag wohl auch die Drogenbeauftragte Marlene Mortler aus Mittelfranken.
Seehofer - der selbst von 2005 bis 2008 Agrarminister war - wollte die Entscheidung am Montagvormittag offiziell verkünden. Der CSU-Chef zitiert gern, was ihm Vorvorgänger Edmund Stoiber bei seiner Berufung mit auf den Weg gab: Welches Amt man übernehme, sei nicht so bedeutend - „Hauptsache Du sitzt am Kabinettstisch.“