Chronologie: Ein Kriminalfall weitet sich zur Staatsaffäre
Berlin (dpa) - Der Kriminalfall Edathy ist binnen 72 Stunden zur Politaffäre eskaliert und hat am Freitag Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) das Amt gekostet. Viele Fragen bleiben offen: Wer wusste sonst noch von den Kinderpornografie-Vorwürfen?
Und hat jemand Sebastian Edathy gewarnt? Weitere Rücktritte erscheinen nicht ausgeschlossen. Die Ereignisse seit Donnerstag:
Donnerstag, 13. Februar
Gegen Mittag gibt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann bekannt, dass der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel bereits im Oktober vom damaligen Innenminister Friedrich über mögliche Ermittlungen gegen den SPD-Innenpolitiker informiert worden ist. Gabriel unterrichtet den damaligen Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier und Oppermann, damals Parlamentarischer Geschäftsführer. Oppermann erklärt, BKA-Präsident Jörg Ziercke habe ihm den Sachverhalt am Telefon bestätigt - was letzterer prompt bestreitet. Die Opposition erhebt umgehend den Vorwurf, Friedrich habe rechtswidrig Dienstgeheimnisse ausgeplaudert und so die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft behindert.
Freitag, 14. Februar
- Morgens kommt CSU-Chef Horst Seehofer in Berlin mit Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt zu einem Krisengespräch zusammen. Auch Friedrich wird dazu gebeten.
- Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, gibt Einzelheiten zu den Ermittlungen bekannt. Danach geht es um den Kauf von Bildern mit nackten Jungen zwischen 9 und 13 Jahren. Das liege im Grenzbereich zur Kinderpornografie. Zu dem Tipp von Friedrich an Gabriel sagt er: „Wir sind fassungslos.“ Die Staatsanwaltschaften in Berlin und Hannover wollen nun prüfen, ob sie gegen Friedrich oder andere wegen Geheimnisverrats ermitteln sollen.
- Gegen Mittag erklärt der CSU-Politiker nach einem Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel, er wolle vorerst im Amt bleiben. Sollte die Staatsanwaltschaft aber ein Ermittlungsverfahren aufnehmen, werde er abtreten.
- Merkel reagiert betont zurückhaltend. Ihr Sprecher Steffen Seibert sagt, der Minister sei sich „der Dimension des Sachverhaltes bewusst“. Seibert vermeidet eine Aussage, ob Friedrich noch das Vertrauen der Kanzlerin hat. Laut „Bild“-Zeitung drängt sie Friedrich dann am Nachmittag telefonisch zu Konsequenzen.
- Um 17.00 Uhr erklärt Friedrich seinen Rücktritt. Der Druck sei in den vergangenen Stunden so gewachsen, dass er seine Aufgaben nicht mehr mit der nötigen Konzentration, Ruhe und politischen Unterstützung ausüben könne. Friedrich betont, er sei weiter der Überzeugung, „politisch und rechtlich richtig“ gehandelt zu haben.
- Wenig später nimmt Merkel das Rücktrittsgesuch an - „mit großem Respekt und großem Bedauern“. Friedrich übernehme „unabhängig von rechtlichen Bewertungen“ politische Verantwortung, lobt sie. Seehofer nennt den Rücktritt „unvermeidbar“ und äußert zugleich Kritik an Oppermanns Rolle in der Affäre. Oppermann betont, er habe seine Erklärung vorab mit Friedrich abgestimmt.
Samstag, 15. Februar
- Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl verlangt eine eidesstattliche Erklärung der beteiligten SPD-Politiker zu der Frage, mit wem sie über den Fall Edathy gesprochen haben. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki erwägt, Strafanzeige gegen Oppermann zu stellen, weil dieser BKA-Chef Ziercke angestiftet habe, Dienstgeheimnisse zu offenbaren.
- Auf einem kleinen CSU-Parteitag in Bamberg wird Friedrich mit stehenden Ovationen empfangen. Parteichef Horst Seehofer kündigt an, den Nachfolger Friedrichs an diesem Montag zu benennen. Zudem macht er seinem Ärger über die SPD Luft und wirft ihr „Geschwätzigkeit“ vor.
- Edathy meldet sich zu Wort und bestreitet, dass ihn jemand vorgewarnt hat. Er habe nur auf Presseberichte über Ermittlungen gegen einen kanadischen Versandhändler reagiert, bei dem er vor Jahren Kunde war, teilte Edathy dem „Spiegel“ per E-Mail mit. Das „Material“, dass er gekauft habe, halte er für „eindeutig legal“.
Sonntag, 16. Februar
- Oppermann weist jegliches Fehlverhalten zurück. Er habe sich „in jeder Hinsicht gesetzeskonform verhalten“, sagt er der „Bild am Sonntag“. Zudem verteidigt er seinen Anruf beim BKA-Präsidenten. Es sei seine Aufgabe als Parlamentarischer Geschäftsführer gewesen, sich um Abgeordnete „in Schwierigkeiten“ zu kümmern. Oppermann bestätigt zudem Zierckes Aussage, dass dieser ihm bei dem Telefonat keine Einzelheiten genannt und den Vorgang auch nicht kommentiert habe.