Analyse: Diplomatischer Druck setzt Assad zu
Istanbul (dpa) - Die USA, Australien, Kanada sowie Deutschland und weitere europäische Staaten haben die Botschafter von Syriens Präsidenten Baschar al-Assad vor die Tür gesetzt.
Damit wollen sie den Druck auf das Regime in Damaskus erhöhen, das in seinem Kampf um den Machterhalt sein ganzes Arsenal des Schreckens einsetzt: Artilleriegeschütze, Milizenterror, Folterknechte und Geheimdienstspitzel, die Oppositionsgruppen unterwandern.
Die syrische Opposition ist dankbar für diesen Schritt, der aus ihrer Sicht schon lange überfällig war. Doch sie befürchtet, dass Assad von dieser scharfen diplomatischen Waffe zwar verletzt, aber nicht zur Einsicht gebracht wird. Denn die Regierung in Moskau steht immer noch treu zu dem Regime.
„Wir haben den Europäern schon vor langer Zeit dazu geraten, die syrischen Diplomaten auszuweisen, und es ist großartig, dass sie es jetzt getan haben, auch wenn dieser Schritt etliche Monate zu spät kommt“, sagt Adib Schischakli, ein Mitglied des oppositionellen Syrischen Nationalrats. Der in Saudi-Arabien ansässige smarte Geschäftsmann, der im Moment hauptsächlich in Istanbuler Hotels lebt und Treffen der Opposition besucht, trägt den gleichen Vornamen wie sein Großvater. Adib Schischakli senior war in Syrien vor mehr als 50 Jahren einmal für kurze Zeit Präsident.
Adib Schischakli junior hofft jetzt, dass die diplomatische Isolation, in die Assad sein Land manövriert hat, dazu führen wird, dass sich weitere einflussreiche Syrer aus der Geschäftswelt und der Regierung von ihm abwenden. Ein Indiz dafür, dass der Kreis der Unterstützer des Regimes stetig kleiner wird, ist der jüngste Streikaufruf, dem in Damaskus am Montag zahlreiche Geschäftsinhaber gefolgt sind.
Indem sie ihre Läden geschlossen hielten, protestierten die Händler gegen das Massaker von Al-Hula. Das ist ein beunruhigendes Zeichen für die syrische Führung, die ihre Überlebensstrategie darauf ausgerichtet hat, sich als Garantiemacht für die Interessen der Geschäftswelt und der Minderheiten - vor allem der Alawiten und der Christen - darzustellen.
Die Staaten, die jetzt Syriens Diplomaten zur Ausreise zwingen, tun dies als Reaktion auf die Gräueltaten in der Ortschaft Al-Hula, wo Wohnviertel bombardiert und Kinder abgeschlachtet wurden. Doch der Schlag, den man dem Regime damit versetzen wollte, wird, wie schon so oft, abgemildert durch eine Erklärung aus Moskau. Das Blutbad dürfe nicht als Vorwand für eine Militärintervention benutzt werden, sagt Außenminister Sergej Lawrow.
Der Syrische Nationalrat, dem auch einige Alt-Linke angehören, hatte lange Zeit noch versucht, die UN-Vetomacht Russland umzustimmen. Doch jetzt sieht es so aus, als hätten die Oppositionellen aufgegeben: Schischakli macht sich keine Hoffnungen mehr: „Wie sich die Regierung in der Syrien-Krise verhält, das ist eine Schande für Russland, selbst für Massaker findet man in Moskau eine Entschuldigung.“
Damit stellt sich jetzt erneut die Frage, die in der sogenannten Gruppe der Freunde Syriens schon seit Monaten diskutiert wird: Was kann und muss man tun, wenn Russland im Sicherheitsrat weiterhin auf der Bremse steht? Ein US-General deutete jetzt an, das Pentagon könne ohne weiteres rasch eine Strategie für eine militärische Lösung in Syrien vorlegen, wenn es eines Tages keine diplomatischen Optionen mehr geben sollte.