Analyse: EU-Doppelbesuch in Moldau und Georgien
Tiflis (dpa) - Moldau, Georgien, Tunesien: Selbst für Vielflieger wie Frank-Walter Steinmeier und Laurent Fabius ist das eine ungewöhnliche Reiseroute. Ursprünglich war sie so auch nicht geplant.
Anfang des Jahres hatten sich die Außenminister Deutschlands und Frankreichs vorgenommen, mit gemeinsamen Dienstreisen wieder mehr Schwung in die Beziehungen zwischen ihren Ländern zu bringen.
Aber schon beim ersten Versuch hakte es. Wegen der Krim-Krise wurde der Besuch in Moldau und Georgien Anfang März kurzfristig verschoben. Jetzt wird er nachgeholt - der Einfachheit halber zusammen mit einer ebenfalls lange geplanten Reise nach Tunesien.
Alle Reiseziele haben zumindest eines gemeinsam: Sie gehören zu den 16 Staaten, zu denen die EU ihre nachbarschaftlichen Beziehungen verbessern will. Die Gemeinsamkeiten Moldaus und Georgiens gehen noch deutlich weiter. Beide Länder haben pro-russische Regionen in ihrem Staatsgebiet, die sich schon vor mehr als 20 Jahren für unabhängig erklärt haben, international aber kaum oder gar nicht anerkannt sind.
Georgien hat wegen Südossetien und Abchasien vor sechs Jahren sogar einen Krieg mit Russland geführt. Steinmeier versuchte damals zu vermitteln. Mit einem Drei-Punkte-Plan zur Deeskalation im Gepäck reiste er nach Tiflis und nach Abchasien - erfolglos.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow bekräftigte ausgerechnet kurz vor dem Besuch der EU-Minister in Tiflis, dass er das damalige Eingreifen Russlands weiterhin für gerechtfertigt hält. Wenn Interessen von Russen direkt angegriffen würden, sehe er keinen anderen Weg, „als darauf in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zu reagieren“, sagte er in einem Fernsehinterview.
Die Drohgebärden halten also an. Von Steinmeier gab es keine direkte Reaktion auf die scharfen Worte. Von Fabius kam lediglich der Hinweis, dass man sich für den Fall einer weiteren Eskalation weitere Sanktionen vorbehalte.
Bis heute hat Russland tausende Soldaten in Abchasien und Südossetien stationiert, obwohl die Vereinten Nationen die Gebiete weiterhin zu Georgien zählen. Tiflis hat sich inzwischen einigermaßen mit der Situation arrangiert und blickt nach vorne. Für Georgien kommt es jetzt darauf an, sich so schnell wie möglich in Richtung Westen zu bewegen.
Steinmeier und Fabius wollen dabei behilflich sein - vor allem was die Annäherung an die EU angeht. Im Juni sollen Assoziierungsabkommen mit Moldau und Georgien unterzeichnet werden. Gleichzeitig wollen die beiden Außenminister ihre Kooperation mit den Ländern aber nicht als Kräftemessen mit Russland verstanden wissen.
„Weder in der Ukraine noch in Moldau noch in Georgien ist diese östliche Partnerschaft auf Konfrontation ausgelegt“, sagt Steinmeier. „Wir steigen nicht ein in ein geostrategisches Spiel, eine Auseinandersetzung zwischen dem Westen und dem Osten, zwischen der Europäischen Union und Russland.“
Trotzdem sind Reaktionen Moskaus auf die Assoziierungsabkommen zu erwarten. Bereits im September setzte Russland den Import moldauischer Weine aus und drohte mit weiteren Maßnahmen, sollte das Abkommen unterzeichnet werden. Das Land ist außerdem auf russische Gaslieferungen angewiesen.
Noch heikler ist der Wunsch Georgiens, der Nato beizutreten. Tiflis stellt Soldaten für Nato- und EU-Einsätze wie in Afghanistan oder Zentralafrika, um sich als Bündnispartner interessant zu machen. In der Nato wird eine Mitgliedschaft aber wegen der Gebietskonflikte mit Russland von vielen für zu gefährlich gehalten. Im Ernstfall würde dann die Beistandspflicht gelten.
Moldau hat solche Bestrebungen erst gar nicht. Die Neutralität ist in dem ärmsten Land Europas in der Verfassung festgeschrieben. Es ist aber auch das Land, das sich über eine Ausweitung der Ukraine-Krise am ehesten Sorgen machen muss. Transnistrien, eine seit 23 Jahren abtrünnige Region im Osten des Landes, sieht seinen Platz klar an der Seite Russlands.
Moskau weist alle Spekulationen über ein Krim-Szenario zwar zurück. Das Vertrauen in solche Versicherungen ist dieser Tage aber nicht nur in Moldau gering ausgeprägt. Der Ministerpräsident Iurie Leanca flüchtet sich auf einer Pressekonferenz mit Steinmeier und Fabius in Zynismus, als er nach möglichen Parallelen zwischen Transnistrien und der Krim gefragt wird. Er wisse nicht, wie sich die Situation in dem schmalen Gebiet im Osten seines Landes noch verschärfen soll, sagt er. „Wir haben schon seit 20 Jahren eine schlechte Situation dort.“