Analyse: Europa im Schuldensumpf
Berlin (dpa) - Alles blickt gebannt auf das griechische Schuldendrama: Das Land steht unmittelbar vor der Staatspleite. Ohne ein neues Sparpaket bekommt Athen kein neues Geld, drohen die Euro-Länder. Griechenland am Scheideweg - und die Krise könnte auch auf andere Länder übergreifen.
Wie geht es den übrigen Schuldensündern im Euro-Raum?
- BELGIEN: Seit Jahren ächzt Belgien unter einem Berg von Schulden, konnte aber vermeiden, in den Sog der europäischen Krise zu geraten. Die gesamtstaatliche Verschuldung dürfte im laufenden Jahr 97 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen - das sind gut 9 Punkte mehr als der Schnitt der Eurozone. Es gibt erste Warnungen der Ratingagenturen, denn die politische Lage in dem Königreich bleibt chaotisch. Gut ein Jahr nach den Parlamentswahlen steht eine Einigung auf eine neue Koalitionsregierung immer noch aus. Falls kein Kompromiss gelingt, könnte es im Herbst Neuwahlen geben. Um Turbulenzen vorzubeugen, setzt das Land auf ein Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent im laufenden Jahr (2010: 2,2) und einen weiteren Abbau seines Defizits.
- IRLAND: Ende 2010 erhielt Irland ein 85 Milliarden Euro schweres Rettungspaket. Der Schuldenstand war sprunghaft auf 96,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschnellt - nach 65,6 Prozent im Jahr 2009. Für 2012 wird mit 112 Prozent gerechnet. Der Rettungsplan sieht vor, dass sich das Land im kommenden Jahr wieder ohne Hilfen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) selbst finanziert. 2010 schrumpfte die irische Wirtschaft um 1,0 Prozent, für 2011 prognostiziert die EU ein leichtes Wachstum von 0,6 Prozent, 2012 sollen es 1,9 Prozent sein. Anders als andere Schuldensünder verfügt Irland über eine starke ökonomische Basis - unklar bleibt aber, ob die maroden Banken, die sich mit Immobilien verspekulierten, noch weitere Milliardenhilfen brauchen.
- ITALIEN: Geringes Wachstum, strukturelle Schwächen und die enormen Schulden machen Italien angreifbar. Nach Griechenland hat Italien den zweithöchsten Schuldenstand in der Euro-Zone. Aber: Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Verschuldung in diesem Jahr mit 120,3 Prozent der Wirtschaftsleistung den Höchststand erreicht und danach langsam sinkt. Die Konjunktur dümpelt im laufenden Jahr bei einem Plus von 1,0 (2010: 1,3) Prozent. 2012 wird mit einem Plus von 1,3 Prozent gerechnet. Wirtschaftsminister Giulio Tremonti will ein 40-Milliarden-Euro-Sparpaket durchsetzen, stößt aber auf Widerstand: Regierungschef Silvio Berlusconi und Koalitionspartner Lega Nord wollen mit Steuererleichterungen die verlorene Popularität nach Niederlagen der Mitte-Rechts-Regierung bei Wahlen und einem Referendum zurückgewinnen.
PORTUGAL: Im Gegenzug für ein 78-Milliarden-Euro-Hilfspaket von EU und IWF muss die neue konservative Regierung Portugals das Haushaltsdefizit spürbar senken - von 9,1 Prozent im vergangenen Jahr auf 5,9 Prozent des BIP in diesem Jahr. Dazu sollen Renten und Gehälter gekürzt sowie Steuern erhöht werden, außerdem will Lissabon das Privatisierungsprogramm beschleunigen und das Arbeitslosengeld kürzen. Die Verschuldung erreicht im vergangenen Jahr 93,0 Prozent der Wirtschaftsleistung. Laut EU-Prognose wird die Wirtschaft Portugals in diesem Jahr um 2,2 und 2012 um 1,8 Prozent schrumpfen - nach einem Plus von 1,3 Prozent im vergangenen Jahr.
SPANIEN: Nur langsam kommt Spaniens Konjunktur in Gang: Die Regierung erwartet für 2011 ein Wachstum von 1,3 Prozent; der IWF geht wie die EU von 0,8 Prozent aus. 2010 gab es einen leichten Rückgang um 0,1 Prozent. Die Verschuldung betrug im vorigen Jahr 60,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das Haushaltsdefizit 9,2 Prozent. 2011 wird eine Verschuldung von 68,1 Prozent der Wirtschaftsleistung erwartet. Die Neuverschuldung soll auf 6,3 Prozent gesenkt werden, erlaubt sind nach Maastricht-Kriterien maximal 3 Prozent. Um zu sparen, hat Spanien etwa die Mehrwertsteuer erhöht, Steuervergünstigungen abgeschafft, Beamtengehälter gesenkt, Renten eingefroren und Bauprojekte gestrichen oder aufgeschoben. Weitere Einsparungen für 2011 sind nicht geplant. Die Regierung will aber erreichen, dass Regionen und Kommunen ihre Schulden eindämmen.