Analyse: „Fall wird ein Stück Rechtsgeschichte schreiben“

München (dpa) - Es wird ernst für Uli Hoeneß. Die große Frage: Muss der Präsident des FC Bayern München ins Gefängnis?

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Das Landgericht München II macht ihm wegen Steuerhinterziehung den Prozess (Az: W5 KLs 68 Js 3284/13). An voraussichtlich vier Verhandlungstagen muss Richter Rupert Heindl im Justizpalast darüber entscheiden, ob sich der Bayern-Boss der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe schuldig gemacht hat.

Knapp 14 Monate nach seiner öffentlich bekanntgewordenen Selbstanzeige wegen Konten in der Schweiz und einem Imageverlust, der seinesgleichen sucht, brechen für den 62-Jährigen nun Schicksalstage an. So wichtig ist diese entscheidende Woche, dass Hoeneß sich sogar den 6:1-Kantersieg seines FC Bayern beim VfL Wolfsburg entgehen ließ. Der Präsident war zum Spiel zwei Tage vor Prozessbeginn nicht mit der Mannschaft nach Niedersachsen gereist.

Das Verfahren wird von einem gigantischen Medienrummel begleitet. 454 Akkreditierungsgesuche von Journalisten waren beim Gericht eingegangen. Doch nur 49 davon waren erfolgreich, denn die Zahl der Sitzplätze ist begrenzt.

Das Gericht ist auch auf einen Ansturm von Schaulustigen vorbereitet. „Ich kann nicht ausschließen, dass 100 kommen, es können aber auch 500 oder 5000 sein“, sagt der Präsident des Landgerichts München II, Christian Schmidt-Sommerfeld. Wie sehr das Gerichtsverfahren gegen den prominenten Steuersünder Fans und Gegner des FC Bayern mobilisieren kann, war vor Beginn nur schwer einzuschätzen. Vorsichtshalber sollen 22 Justizbeamte im Gebäude für Sicherheit sorgen. Außerdem sind bis zu 150 Polizisten im Einsatz.

Wie Hoeneß und seine drei Anwälte das Gericht betreten, ob sie sich durch den wohl von Journalisten und Schaulustigen belagerten Haupteingang wagen oder den Hintereingang benutzen werden, war zunächst unklar. „Auf welchem Weg Hoeneß kommt, dazu gibt die Polizei keine Auskunft“, sagt ein Polizeisprecher. Und der Gerichtspräsident sagt nur: „Es ist Sache der Polizei, dass er hier am Montag um 9.30 im Saal sitzt.“

Ein langer Verhandlungstag dürfte ihm gleich zum Auftakt bevorstehen. Nach der Verlesung der Anklage kann sich Hoeneß äußern. Das hatte der sonst so wortgewaltige 62-Jährige, der auf der letzten Hauptversammlung des FC Bayern bittere Tränen weinte, in der jüngsten Vergangenheit - wohl auf Rat seiner Anwälte - in der Öffentlichkeit vermieden. Ende 2013 gab er in einem Interview des Bayerischen Rundfunks letztmals Einblick in sein Seelenleben: „Privat ist es für mich und meine Familie das schwierigste Jahr in unserem Leben.“

Für den Montagnachmittag sind dann bereits drei der insgesamt vier Zeugen geladen, darunter auch der Steuerfahnder, der Hoeneß bei dessen Selbstanzeige geholfen hatte.

Weil diese öffentlich wurde, hat der Bayern-Boss inzwischen Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt, um herauszufinden, wer Dokumente aus seiner Steuerakte an die Presse weitergeleitet haben könnte. Im April 2013 hatte das Magazin „Focus“ den Fall öffentlich gemacht. Drei Monate zuvor hatte sich Hoeneß wegen eines geheimen Kontos in der Schweiz selbst bei den Finanzbehörden angezeigt.

Der entscheidende Punkt ist nun: Wird Richter Heindl, der in der Vergangenheit durch strenge Urteile aufgefallen ist, die Selbstanzeige anerkennen - zumindest als strafmildernd? Hoeneß glaubt nach wie vor, dass sie korrekt ist, die Staatsanwaltschaft sieht das anders.

„Die ganz spannende Frage wird im Fall Hoeneß sein, inwieweit man ihm trotz der verunglückten Selbstanzeige Strafmilderung gewähren kann“, sagt der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Thomas Eigenthaler, im Interview der Nachrichtenagentur dpa.

„Normalerweise sagt der Bundesgerichtshof: Wer mehr als eine Million Euro Steuern hinterzieht, muss ins Gefängnis und kriegt keine Bewährungsstrafe mehr.“ Demnach könnte Hoeneß eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung drohen. „Vielleicht aber führt die Selbstanzeige - auch wenn sie verunglückt ist - doch dazu, dass er vielleicht um das Gefängnis herumkommt“, meint Eigenthaler - und: „Der Fall Hoeneß wird schon ein Stück Rechtsgeschichte schreiben.“

Wie auch immer der Prozess ausgeht, seinen Status als streitbarer, aber geachteter Moralapostel dürfte Hoeneß so oder so los sein. Vor seiner Steuersünde galt er vielen - sogar Nicht-Bayern-Fans - als ein Vorbild. Auch weil er sich selbst als solches inszenierte. „Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich zahle volle Steuern“, sagte er zum Beispiel 2005 in einem inzwischen vielzitierten Interview der „Bild“-Zeitung.

Das Lied in der Warteschleife von Hoeneß' Anwalts Hanns W. Feigen klingt nach Hoffnung: „Freiheit“ singt da Marius Müller-Westernhagen noch Tage vor dem Prozessbeginn. Voraussichtlich an diesem Donnerstag will Richter Heindl das Urteil verkünden.