Report: Ungewissheit raubt Angehörigen die Nerven

Peking/Kuala Lumpur (dpa) - Sie hat ihre Hände fest auf den Mund gepresst. Die Augen hat sie zugekniffen. Ohne ein Wort zu sagen, stürzt eine Frau am Sonntag aus einem Hotelzimmer in Peking.

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Dort warten die chinesischen Angehörigen der Passagiere des vermissten Fluges MH370 aus Kuala Lumpur verzweifelt auf Neuigkeiten. Eigentlich wollten sie ihren Freunden und Verwandten am Samstagmorgen zur Begrüßung in die Arme fallen. Jetzt klammern sie sich an jede Hoffnung, dass ihre Lieben noch am Leben sind.

„Mein Sohn war erst 40 - ich wäre gerne für ihn gestorben“, sagt eine ältere Frau der Nachrichtenagentur dpa wenige Stunden, nachdem das Flugzeug eigentlich in Peking erwartet worden war. Einen Tag danach weiß sie noch immer nicht, was mit ihrem Sohn passiert ist. Viele Menschen blicken nur wortlos zu Boden. Andere starren ununterbrochen auf ihre Smartphones auf der Suche nach Nachrichten.

Für China bahnt sich eine nationale Tragödie an. Von den 239 Menschen in dem Flug der malaysischen Fluggesellschaft sollen mehr als 150 chinesische Staatsbürger sein. Laut Medienberichten war eine Gruppe von chinesischen Künstlern und ihren Familien mit insgesamt 29 Menschen im Flugzeug. Sie wollten von einer Ausstellung in Kuala Lumpur wieder zurück nach Hause fliegen. Jetzt bleiben nur Spekulationen, was dem Boeing-Großraumflugzeug 777 zugestoßen sein könnte.

Auf der Facebook-Seite von Malaysia Airlines beschwerten sich Nutzer über unsensible Kommentare und Gerüchte, die Maschine sei in Südchina gelandet. „Ich habe drei meiner Lieben an Bord, und solche unbestätigten Gerüchte bedeuten eine extrem emotionale Achterbahn der Gefühle“, schreibt jemand unter dem Namen Sue Yusoff.

Die Ungewissheit bringt eine gewaltige Zerreißprobe. Viele Angehörige in Peking werden mit der Zeit wütend, dass kein Vertreter der Fluggesellschaft zu ihnen kam. Dann verspricht Malaysia Airlines Besserung. „Wir haben ein Expertenteam zusammengestellt, das in Peking helfen wird“, kündigt Sprecher Ignatius Ong an. Fast 100 Leute fliegen aus Kuala Lumpur ein, um Präsenz zu zeigen und die schlimmsten Folgen der nervenzerreibenden Situation zu lindern.

Mit blauen Westen treffen die ersten Mitarbeiter ein. „Special Assistance Team“ steht in großen Buchstaben auf ihren Rücken. Psychologen sind darunter. „Den Leuten geht es der Lage entsprechend“, sagt einer der Männer, als er zurück in den Raum mit den Angehörigen eilt.

Gleichzeitig bereitet die Airline Flüge für die Angehörigen in Chinas Hauptstadt nach Malaysia vor. „Die Verwandten, die wollen, werden bald abreisen können“, kündigt ein Unternehmenssprecher an. Bis zu fünf Angehörige pro Passagier sollen aus Peking ausgeflogen werden. Am Montag hebt die erste Maschine ab. Ein Flug nach Malaysia nimmt den Menschen zwar nicht die Ungewissheit, aber zumindest müssen sie nicht mehr tatenlos in einem Hotelzimmer sitzen.