Analyse: FDP-Desaster an der Saar
Berlin (dpa) - Schlimmer geht immer: Die FDP ist mit 1,2 Prozent an der Saar gescheitert - das Ergebnis ist noch vernichtender als in Berlin im vergangenen September, als die Partei auf 1,8 Prozent abstürzte.
Schweigend und fassungslos nahmen die nur zwei Dutzend Anhänger am Sonntag im Dehler-Haus in Berlin die dramatischen Zahlen zur Kenntnis.
Um kurz nach 18.00 Uhr kam dann der künftige Generalsekretär Patrick Döring auf das Podium. Auch Entwicklungsminister Dirk Niebel und Parteivize Birgit Homburger mischten sich unters Publikum.
Ein bisschen Applaus mobilisierte Döring. Sein Statement dauerte nur gut eine Minute. Das Saarland hakte er sofort ab. Er sei guter Hoffnung, dass es im Mai in Kiel und Düsseldorf besser werde. Die landespolitische Lage dort sei ganz anders. Der „organisierte Liberalismus“ werde es schaffen, formulierte Döring hölzern.
Sein Chef Philipp Rösler ließ sich nicht blicken. Er will sich erst an diesem Montag den Hauptstadt-Journalisten stellen. Für Rösler, erst knapp ein Jahr an der Spitze, ist es nun die vierte bittere Niederlage. Noch nie ist die FDP in einem westdeutschen Bundesland auf einen so schlechten Wert gestürzt.
Fliegt die FDP auch in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen aus den Landtagen, dürfte es für den 39-jährigen Vizekanzler und Wirtschaftsminister ganz eng werden. Auch beim Koalitionspartner Union zweifeln Spitzenleute daran, dass Rösler noch die Trendwende schafft.
Ein Putsch gegen den Ex-Bundeswehrarzt ist derzeit zwar nicht in Sicht. Doch der Parteitag Ende April in Karlsruhe könnte ungemütlich werden. In vielen Landesverbänden und bei den 93 Abgeordneten in Berlin wächst der Frust. Der Gauck-Sieg über die Union bei der Präsidentenkür ist verpufft. Kann man mit Rösler wirklich punkten? Hat er die Kraft, die FDP 2013 wieder in den Bundestag zu bringen?
Die Wahl an der Saar war zwar schon im Vorfeld von den Liberalen abgeschrieben worden. Alles mit einer 3 vor dem Komma wäre intern aber als Erfolg gewertet worden - und hätte Rösler ein bisschen Ruhe verschafft. Jetzt ist es anders gekommen. Besonders bitter: Die Piraten, von der FDP als billige Kopie verschrien, haben überall großen Zulauf.
Das Desaster im Saarland allein Rösler anzukleben, wäre aber zu billig. Die Saar-FDP gab in der Jamaika-Koalition mit CDU und Grünen ein chaotisches Bild ab. Intrigen, Ermittlungsverfahren, keine Führung.
Rösler kann angekreidet werden, dem Treiben der Saarbrücker Parteifreunde tatenlos zugesehen zu haben. Ein starker Bundesvorsitzender hätte früher durchgegriffen, heißt es in der Partei. Das gilt auch für Nordrhein-Westfalen, wo sich die NRW-FDP verzockte und jetzt bei der Neuwahl untergehen könnte.
Dagegen stemmt sich Christian Lindner. Röslers Ex-Generalsekretär und NRW-Spitzenkandidat hat zum Wahlkampfauftakt an Rhein und Ruhr die FDP wieder positiv ins Gespräch gebracht. Das Saar-Ergebnis aber ist ein Nackenschlag. Holt Lindner trotzdem fünf Prozent, dürfte er in der Bundespartei auf lange Sicht freie Bahn haben. Immerhin legte die FDP in einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage im Auftrag der ARD an Rhein und Ruhr wieder um zwei Punkte auf nunmehr 4 Prozent zu.