Analyse: Freispruch mit Makel

Regensburg (dpa) - Gustl Mollath blickt nach vorn. Zwar verlässt er das Landgericht Regensburg am Donnerstag mit einem gewissen Groll, aber auch mit einem Freispruch. „Jetzt muss ich meinen Lebensunterhalt bestreiten“, sagt der 57-Jährige.

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Die Jobsuche steht an. Angebote gibt es seinen Angaben zufolge viele - auch im Kraftfahrzeug-Bereich. Zudem will er eine Wohnung finden.

Bislang hatte Mollath nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie im Vorjahr bei Freunden gewohnt. Am liebsten will er wieder in seiner Geburtsstadt Nürnberg leben - auch wenn mit der Stadt düstere Erinnerungen verknüpft sind.

Dieses dunkle Kapitel hatte das Gericht im Wiederaufnahmeverfahren aufgeschlagen. Die Strafkammer spricht Mollath zwar frei, sieht ihn aber als einen Gewalttäter, der seine damalige Ehefrau verprügelt, gebissen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt hat. Stoisch verfolgt Mollath die Begründung des Gerichts. Nur ab und zu schüttelt er den Kopf oder verzieht den Mund. Die meiste Zeit verharrt er stocksteif auf seinem Platz.

Und dann kommt der Satz der Vorsitzenden Richterin, der Mollath am meisten trifft: „Wir wissen nicht sicher, ob der Angeklagte im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte oder nicht“, sagt Richterin Elke Escher. Es sei möglich, dass zur Tatzeit eine „wahnhafte Störung“ vorgelegen habe.

„Das kann man so nicht hinnehmen“, sagt Mollath dazu. „Diese Art von Freispruch habe ich schon siebeneinhalb Jahre genossen.“ Er hatte sich eine vollständige Rehabilitation erhofft. Die gab es für ihn nun nicht.

Mollath will sich deshalb beraten lassen, ob es doch noch Wege gibt, gegen dieses Urteil vorzugehen - auch wenn es normalerweise keine Revisionsmöglichkeit gibt. Mollath baut auch dabei auf seinen Verteidiger Gerhard Strate. Es sei für ihn nicht erforderlich, sich einen neuen Anwalt zu suchen. „Ich habe ja einen guten“, sagt er.

Strate selbst will sich aber nur noch im Rahmen der Pflichtverteidigung um den Nürnberger kümmern. „Insgesamt werde ich mich aber aus der Sache zurückziehen“, betont der renommierte Verteidiger aus Hamburg, der Mollath aus der Psychiatrie geholt und das Wiederaufnahmeverfahren ermöglicht hatte. Beide waren mehrfach in dem Prozess wegen Meinungsverschiedenheiten aneinandergeraten.

Gustl Mollath hat spätestens seit seiner Entlassung aus der Psychiatrie polarisiert. Er hat eine Unmenge an Unterstützern, die wie er das System der Zwangsunterbringung anprangern. Andere halten ihn angesichts seiner Mahnbriefe an die obersten Justizbehörden, den Papst und den damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, für einen Querulanten, der unter Verfolgungswahn leidet und sich überschätzt.

Eines ist dem Nürnberger aber gelungen. Zumindest in Bayern soll der Maßregelvollzug zur Unterbringung psychisch kranker Straftäter neu geregelt werden. Nach dem Willen von Sozialministerin Emilia Müller (CSU) soll die Resozialisierung im Vordergrund stehen und ein Therapieanspruch verankert werden. Der Gesetzentwurf soll im Herbst im Landtag in München beraten werden.

Nach dem Urteil und einem Interview-Marathon hat es Mollath am Donnerstag eilig. Er sucht eine Mitfahrgelegenheit nach Taufkirchen im Landkreis Erding zur Entlassung „einer Leidensgenossin“ aus der dortigen Psychiatrie.

Die Parallelen zum Fall Mollath sind unübersehbar: Sieben Jahre saß die heute 58-Jährige gegen ihren Willen in der Psychiatrie, weil ihr ein Gutachter wahnhafte Störungen attestierte und von ihr angeblich eine Gefahr für die Allgemeinheit ausging. Mollath will, dass die Welt erfährt, was in den Psychiatrien Deutschlands los sei: „Das ist schlimmer als in deutschen Gefängnissen.“