Analyse: Frieden in Syrien ist fast unmöglich
Montreux (dpa) - Verglichen mit dem, was im syrischen Bürgerkrieg an Grausamkeiten passiert, ist das nun wirklich eine Nebensache.
Aber ganz unwichtig ist der Streit, den Syriens Außenminister Walid al-Muallim gleich zu Beginn der Friedenskonferenz in Montreux am Genfer See vom Zaun bricht, trotzdem nicht. Denn hier im Luxushotel „Montreux Palace“ wird alles gleich zur Machtfrage.
Zehn Minuten hat Al-Muallim von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zugebilligt bekommen, genauso viel wie die Opposition. Doch das reicht dem treuen Diener von Machthaber Baschar al-Assad nicht. Er hat ein langes Redemanuskript aus Damaskus mitgebracht, das jetzt hier vorgelesen werden muss. So lautet sein Auftrag. Ein schrilles Klingelzeichen, das ihn ermahnen soll, ignoriert der Minister genauso wie Bans Aufruf an die Konferenzteilnehmer, in ihren Reden bitte niemanden zu beleidigen.
Al-Muallim ist gekommen, um die westlichen Regierungen zu überzeugen, dass sie besser gemeinsam mit Assad gegen islamistischen Terror kämpfen sollten, statt die Revolutionäre in ihrem Kampf um „Würde“ und „Freiheit“ zu unterstützen. Deshalb lässt sich Al-Muallim auch von Ban nicht stoppen, der angesichts dieses ungebremsten syrischen Redeflusses von Minute zu Minute ungehaltener wird.
Der Vorsitzende der Delegation der syrischen Opposition, Ahmed al-Dscharba, hat dagegen kein Problem damit, sich kurz zu fassen. Zwar appelliert auch er mit Schilderungen der Kriegsgräuel an die Emotionen der Konferenzteilnehmer. Doch die wichtigste Botschaft, die von den Regimegegnern hier in Montreux präsentiert wird, bedarf nicht vieler Worte: Die Oppositionellen wollen die Umsetzung des Genf-1-Dokuments vom Sommer 2012 - es sieht eine Waffenruhe, die Freilassung von politischen Häftlingen und die Bildung einer Übergangsregierung vor. Sie sind bereit, einen Kompromiss mit dem Regime zu schließen, solange die Assad-Familie dabei keine Rolle spielt.
Für die meisten westlichen Beobachter steht nach diesem ersten Schlagabtausch fest. Der erste Tag endet mit einem diplomatischen 1:0 für die Opposition.
Schauplatz der ersten großen internationalen Konferenz des Jahres 2014 ist das „Montreux Palace“, ein Jugendstilhotel mit Aussicht auf schneebedeckte Gipfel und einer bewegten Geschichte. 1936 wurde hier am Genfer See der Vertrag von Montreux ausgehandelt, mit dem die Türkei die Hoheit über den Bosporus und andere Meerengen zurück bekam. Damals dauerten die Gespräche beinahe einen Monat. Mit solch einem Verlauf wären die meisten Beteiligten heute mehr als glücklich.
Aus Angst vor Anschlägen ist das „Montreux Palace“ hermetisch abgeriegelt. Die 236 Zimmer sind für die Delegationen aus aller Welt bei weitem nicht genug. Aus der deutschen Delegation haben neben Frank-Walter Steinmeier noch ein halbes Dutzend seiner Leute Zimmer erhalten.
Die syrische Regierungsdelegation hat es vorgezogen, nicht im Konferenzhotel abzusteigen. Die Diplomaten aus Damaskus haben sich in dem etwas weniger pompösen Hotel „Majestic“ eingemietet. Sie sind nicht alleine gekommen. Vor dem Hintereingang des Hotels formiert sich am Morgen eine Demonstration von Assad-Anhängern. Im Presse-Zentrum der Konferenz klatschen Journalisten der staatlichen syrischen Medien, als Al-Muallim seine Rede beendet.
Steinmeier hatte in seiner ersten Amtszeit Kontakt zu Assad gesucht, was damals schon umstritten war. Jetzt dämpft er die Erwartungen auf eine baldige Lösung im Syrien-Konflikt: „Wer den Auftakt miterlebt hat, der sieht, hier liegen die Positionen weit auseinander.“ Der SPD-Politiker ist nicht der einzige Skeptiker im Saal. Die vorherrschende Stimmung lässt sich unter dem Motto zusammenfassen: „Du hast keine Chance, aber nutze sie.“