Analyse: Griechenland stellt Retter vor Zerreißprobe
Brüssel (dpa) - Strahlende Sieger sehen anders aus. Europäische Finanzminister verließen in den frühen Morgenstunden bei Nieselregen übermüdet das Brüsseler Ministerratsgebäude. Der Kompromiss zu Griechenland war da, aber nach einem mühseligen, zwölfstündigen Tauziehen.
Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker wusste offensichtlich nicht so recht auf die Frage zu antworten, ob er zufrieden sei. „Eher ja“, lautete die Replik des Luxemburgers nach längerem Zögern.
Die Ressortchefs schlossen im Griechenland-Endlosdrama nach einem mehrwöchigen Poker mal wieder ein Kapitel. Das Land bekommt etwa 44 Milliarden Euro aus dem laufenden Rettungsprogramm ausgezahlt, außerdem wird mit einem Maßnahmenbündel die gefährlich hohe Staatsverschuldung angegangen.
Finanzminister Wolfgang Schäuble gab sich nach dem Griechenland-Marathon betont gut gelaunt. „Sie sehen, wir waren sehr effizient. Wir sind wesentlich früher zu einem Ergebnis gekommen als vor einer Woche“, freute sich der Bundesfinanzminister. Seine gute Laune hat Gründe: Die Schuldenlast Athens wird ohne den von Berlin strikt abgelehnten Schuldenschnitt gedrückt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) bleibt als Geldgeber im Boot. Vor allem können so unangenehme Botschaften an die Wähler über Milliarden-Verluste und wahre Kosten der Hellas-Rettung vermieden werden.
Den Steuerzahler kosteten die Maßnahmen nichts, versichert Schäuble. Allenfalls werde der Bund einige hundert Millionen Euro weniger Einnahmen verbuchen, weil er nicht mehr von Zinsgewinnen und Erträgen der Notenbanken aus der Griechenland-Krise profitieren wolle.
Interne Arbeitspapiere der Retter zeigen, dass auch nach dem Brüsseler Deal (Juncker: „sehr schwierig“) die Probleme nicht vom Tisch sein dürften. An der Feststellung der Europäischen Zentralbank (EZB), wonach das laufende Hilfsprogramm von 130 Milliarden Euro unterfinanziert sei, dürfte sich laut Experten auch nach der Einigung grundsätzlich nichts geändert haben.
Der Kompromiss übertüncht schwere Meinungsunterschiede unter den Rettern, also Eurostaaten, IWF und Notenbank. Drei lange Anläufe und Geheimtreffen benötigte der Währungsclub, um sich auf den Maßnahmen-Mix zu verständigen. Mit einem Schuldenrückkaufprogramm, wie es vor allem Berlin oder die EZB favorisierten, Zinserleichterungen oder längeren Kreditlaufzeiten soll Athen wieder einmal Luft verschafft werden.
Schäuble schlägt trotz der nun gefundenen gemeinsamen Linie der Geldgeber vorsichtige Töne an. „Erhebliche weitere Anstrengungen“ seien noch nötig, es gebe „immer noch erhebliche Unsicherheiten“. Gegebenenfalls müssten weitere Maßnahmen folgen. Es gehe darum, Risiken und Auswirkungen „möglichst gering“ zu halten.
Die Kassenhüter können sich wochen- oder monatelange Debatten leisten, da der Druck der Finanzmärkte auf Euro-Länder nachgelassen hat. Die Ankündigung von EZB-Patron Mario Draghi vom Sommer, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern kaufen zu wollen, wirkt weiter beruhigend. Inzwischen machen hinter Kulissen zunehmend die Staats- und Regierungschefs Druck, um bei den Kassenhütern aufs Tempo zu drücken. Das gilt auch für ein Brüsseler Prestigevorhaben, die gemeinsame Bankenaufsicht. „Wir könnten viel schneller sein“, heißt es aus den Reihen der „Chefs“.