Analyse: Griechenland vor politischen Umwälzungen
Athen (dpa) - Griechenland steht vor dem Beginn einer neuen politischen Ära. Die Vorherrschaft der großen Parteien der Sozialisten (PASOK) und der Konservativen (ND), die seit dem Ende der Militärdiktatur 1974 das Land im Wechsel regiert hatten, scheint sich dem Ende zuzuneigen.
Beide Parteien müssen einen hohen Preis zahlen für ihre Zustimmung zu den drastischen Sparmaßnahmen, die das Land vor der Pleite bewahren sollen, in der Bevölkerung aber umstritten sind.
„Der Volkszorn und die Einsparungen verändern die politische Landkarte Griechenlands“, titelte die Zeitung „To Vima“. Nach einer Reihe von Umfragen werden bei den im April vorgesehenen Wahlen weder die Konservativen noch die Sozialisten eine ausreichende Mehrheit für die Bildung einer Regierung bekommen. Beide Parteien unterstützen die derzeitige Regierung des parteilosen Ministerpräsidenten Lucas Papademos. Nach den Wahlen könnten bis zu acht Parteien ins Parlament einziehen und die Regierungsbildung zu einer äußerst kniffeligen Angelegenheit machen.
Den Sozialisten, die zuletzt 2009 mit 44 Prozent der Stimmen einen glanzvollen Sieg errungen hatten, droht ein beispielloser Einbruch: Sie können nach den Umfragen nur noch auf 8 bis 14 Prozent hoffen und wären damit allenfalls noch die drittstärkste Kraft. Die konservative Nea Dimokratia (2009: 34 Prozent) dürfte aus der Wahl als stärkste Partei hervorgehen, muss aber bei einem Stimmenanteil von 24 bis 28 Prozent ebenfalls herbe Verluste befürchten.
Zu den Gewinnern könnten die Parteien links von den Sozialisten werden, die allesamt gegen die Sparpolitik sind und die insgesamt auf mehr als 40 Prozent der Stimmen hoffen können. Dazu dürfte neben den Kommunisten (KKE) und dem radikalen Linksbündnis Syriza vor allem die Demokratische Linke (DA) gehören. Diese eher gemäßigte Partei lehnt zwar die Sparbeschlüsse ab, tritt aber dafür ein, dass Griechenland in der EU und der Eurozone bleibt. Die vor nicht einmal zwei Jahren gegründete Gruppierung könnte auf Anhieb zur zweitstärksten Kraft im Parlament aufsteigen.
Es ist angesichts dieser Perspektiven nicht überraschend, dass die internationalen Geldgeber mit Skepsis auf die nächsten Wahlen blicken. „Das sind Wahlen, die (abgesehen von den Linksparteien) im Grunde niemand will“, meinte die Zeitung „Ethnos“. Bei Sozialisten und Konservativen machen Gerüchte über Abspaltungen die Runde. Beide Parteien schlossen vor einer Woche insgesamt 45 Parlamentarier aus ihren Fraktionen aus, weil die Abweichler gegen die Sparbeschlüsse gestimmt hatten.
Die PASOK beging nach Ansicht des Politologen Andreas Pantazopoulos den Fehler, dass sie im Kampf gegen die Finanzkrise ihre eigenen Mitglieder und Anhänger vergaß. „Die Sozialisten glaubten, alles entscheide sich außerhalb Griechenlands. Sie suchten die Lösung allein in Verhandlungen mit den EU-Partnern und Geldgebern“, schrieb der Wissenschaftler in „To Vima“.
Bei den Konservativen war es nach Ansicht des Politologen genau umgekehrt: Sie lehnten die Sparbeschlüsse zunächst ab, weil sie auf Stimmgewinne bei den nächsten Wahlen hofften. Dabei unterschätzten sie den Druck aus dem Ausland, der sie zum Einlenken zwang.