Analyse: Grüne Zitterpartie zum Fiskalpakt
Berlin (dpa) - Die Grünen-Spitze wollte mit einem Ja zum Fiskalpakt Regierungsfähigkeit beweisen. Aber auf einem kleinen Sonderparteitag musste sie bis zuletzt zittern. Die Grünen lieferten sich auf ihrem Sonderparteitag zum Fiskalpakt einen deftigen Streit.
Es ging auch darum, ob man im Grunde seines Herzens lieber regieren oder opponieren will. Bis zum Ende war es spannend - dann gaben die Delegierten den grün mitregierten Ländern und der Bundestagsfraktion äußerst knapp das Plazet, dem Pakt für konsolidierte Haushalte in Europa zuzustimmen. Bei den Verlierern dürften Blessuren zurückbleiben.
„Wir haben wesentlich mehr erreicht, als wir uns vorstellen konnten“, beschwört Parteichef Cem Özdemir die Delegierten. So hätten die Grünen jahrelang eine Finanztransaktionssteuer gefordert - infolge des Ringens zwischen Opposition und Regierung im Kanzleramt würden Bankgeschäfte nun besteuert. „Ich bitte wirklich herzlich darum, dass wir uns nicht kleiner machen als wir sind.“
Doch drohen nicht Länder wie Italien oder Spanien von der Zinslast ihrer Altschulden und den schlechten Prognosen der Märkte erdrückt zu werden? Vehement drangen die Grünen bei der schwarz-gelben Koalition auf Bewegung hin zu einem Fonds zur Tilgung alter Schulden. Doch Union und FDP wollten dazu nicht einmal einen Prüfauftrag in das Kompromisspapier zum Fiskalpakt aufnehmen.
Özdemir räumt ein: „Wir haben es nicht geschafft.“ Dennoch sollten die Grünen jetzt Ja zum Fiskalpakt sagen - der Tilgungsfonds werde ohnehin kommen, weil er nötig sei. Delegierte geben Kontra: Der gescholtenen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für die weiteren Verhandlungen in der EU einen Blankoscheck geben? „Ich bin nicht bereit, dafür meine Hand zu reichen“, sagt eine Abgeordnete.
Auftritt Reinhard Bütikofer. Kommt der Altschuldentilgungsfonds? „Das ist nichts, worüber man sagen kann: Irgendwann kommt's“, hält der Ex-Parteichef und heutige Europaabgeordnete seinem Nachfolger entgegen. Die Lage für die Krisenländer sei dramatisch. Der Euro drohe auseinanderzufliegen. Hilfen brauche es kurzfristig.
Doch sollen die Grünen folglich Nein sagen zum Fiskalpakt? Das will Bütikofer auch nicht. Von ihm aus könne Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Bundesrat und Fraktionschef Jürgen Trittin im Bundestag ruhig zustimmen. Doch der Länderrat solle Nein sagen.
Jetzt hagelt es Zwischenrufe. Fraktionschefin Renate Künast sagt, man habe allerhand erreicht im Kanzleramt, und fügt hinzu: „So, lieber Reinhard, funktioniert Politik.“ Der kontert per Twitter: „Bin immer dankbar für Hinweise von ExpertInnen.“ Es ist noch nicht lange her, da hatte Bütikofer Künasts Wahlkampf um das Amt des Berliner Regierungschefs heftig kritisiert.
Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke ätzt gegen den Ex-Parteichef: „Ich finde es feige zu sagen, der Länderrat stimmt mit Nein - und dann kann die Bundestagsfraktion machen, was sie will.“ Kretschmann meint, manchmal sei Leidenschaft angesagt - aber Politik sei eben Konsenssuche.
Bundestags-Fraktionschef Jürgen Trittin entwirft ein Schreckensszenario: Was, wenn die grünen Länder Nein zum Fiskalpakt sagen - und dieser scheitert? „Was glaubt ihr denn, was dann auf den internationalen Finanzmärkten los ist?“, fragt Trittin. Es setzt Buh-Rufe von den Kapitalismuskritikern bei den Grünen.
Doch am Ende setzt sich der Bundesvorstand durch - wenn auch nur hauchdünn. 40 von 78 Delegierten sagen Ja zum Fiskalpakt auch ohne Altschuldentilgungsfonds.