Analyse: Guter Rat ist auch für die Regierung teuer

Berlin (dpa) - Wie kann man sich vor EHEC schützen? Die Fäden des Krisenmanagements laufen bei der Bundesregierung zusammen. Antworten auf die für viele Verbraucher zentrale Frage aber fallen - wohl zwangsläufig - lückenhaft aus.

Auch neue Studien des Robert Koch-Insituts ändern daran wenig.

Gurken schienen es nicht zu sein, mag mancher gedacht haben, als klar war: Spanische Gurken trugen doch nicht den aktuell grassierende EHEC-Keim an sich. Das Robert Koch-Institut (RKI) und das Bundesinstitut für Risikobewertung aber stellen klar: Auch weiter gilt, „dass der Verzehr von Blattsalaten, Tomaten und/oder Gurken in Norddeutschland weiterhin als höchstes relatives Risiko für die Erkrankung in Betracht gezogen werden muss“. Weitere EHEC-Erkrankte wurden befragt - 95 Prozent hatten mindestens eine der drei Gemüsearten verzehrt.

Liegt beispielsweise Berlin auch im Norden? Schon bei der Frage, wo genau Norddeutschland endet, muss die Regierung passen. „Das kann ich nicht näher spezifizieren“, sagt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Doch immerhin: Laut RKI lässt sich bei den Fällen in anderen Ländern als Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern meist ein Bezug zum Norden beobachten. Auch in einem Frankfurter Unternehmen häuften sich allerdings Fälle - hier steht eine Salattheke unter dringendem Verdacht.

Der für Verbraucherschutz zuständige SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber fordert: „Wir brauchen eine einheitliche Internetplattform, in der sowohl Warnungen als auch Entwarnungen zusammenlaufen.“ Unter der Adresse www.lebensmittelwarnung.de finden sich der Hinweis, die Seite sei im Aufbau - und ein Link zum Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Nicole Maisch, kritisiert, die Verbraucher würden im Stich gelassen. „Hilfe bei der Bundesregierung - z.B. in Form einer zentralen Anlaufstelle - sucht man vergebens.“

Doch liegt es wirklich an der Aufbereitung der Informationen? Die Quelle der Seuche ist weiter nicht gefunden - vielleicht wird sie nie entdeckt. Wie ist es mit Obst, Milch und Fleisch? In früheren Fällen waren Rohmilch und Fleisch oft Träger des Bakteriums. In diesem Fall ist das auszuschließen - zumindest „eher“, wie es der Sprecher von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) sagt. Ist es also Verunsicherung, auf dieses Restrisiko hinzuweisen? Oder verschafft man Verbrauchern damit die Möglichkeit, ganz auf der sicheren Seite zu sein?

Aigner-Sprecher Holger Eichele wirbt für Verständnis für die Unklarheit: „Die Experten wären sicherlich froh, ganz eindeutige Antworten geben zu können.“ Zumindest bei pasteurisierter, also bei der Verarbeitung erhitzter Milch und gut gegartem Fleisch geben die Experten Entwarnung. Das gilt auch für gekochtes Gemüse.

Wie wäre es mit einem Verbot für Gurken, Tomaten und Salat im Norden? „Dafür gibt es keinen Anlass“, sagt Eichele - so wichtig die Beachtung der Warnung davor sei. Nicht nur im Supermarkt bleibt es etwa in Kiel oder Hamburg jedem überlassen, was er isst. Findet sich auf einem nebenbei gekauften belegten Brötchen die heikle Rohkost - alles wegschmeißen? Die frischen Stücke rauszupfen? Alles essen?

Alarmiert von EHEC ist jetzt auch die Kanzlerin. „Das verunsichert jeden von uns, und das zwingt jeden von uns zu Vorsichtsmaßnahmen, die wir vielleicht lieber nicht treffen würden“, sagt ihr Sprecher Steffen Seibert. „Seien Sie sicher, dass das Krisenmanagement immer dem Umfang, dem Ausmaß, der Schwere der Krise entsprechen wird.“

Hoffnung gibt es an der Forschungsfront. Das Erbgut des Erregers ist entziffert - in der nächsten Woche erhofft sich die Uniklinik Münster Hinweise zur Verhinderung weiterer Infektionen. Das Gesundheitsministerium will keine Einschätzung dazu abgeben - es sei eine „sehr fachliche Diskussion“.