Analyse: Klimagipfel der letzten Chance

Paris (dpa) - An einem Redepult aus Pressholzplatten reden die Großen der Welt sich gegenseitig ins Gewissen. „Es stand noch nie so viel auf dem Spiel, denn es geht um die Zukunft des Planeten“, sagt Gastgeber François Hollande zum Auftakt des Pariser Klimagipfels.

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Kurzfristige Interessen dürften nicht wichtiger sein als die „Luft, die künftige Generationen atmen werden“, legt US-Präsident Barack Obama nach.

In seinem eindringlichen Appell wirbt der Amerikaner eloquent für eine gemeinsame Anstrengung, den durch Treibhausgase verursachten Klimawandel zu stoppen. Und der Präsident der pazifischen Inselgruppe Kiribati mahnt, nicht die Menschen zu vergessen, deren Häuser von einem steigenden Meeresspiegel bedroht sind.

Zumindest am ersten Tag ist die Strategie der Organisatoren damit aufgegangen: Starke Worte und milliardenschwere Ankündigungen setzen ein deutliches politisches Zeichen. Doch ob dieser Schwung ausreicht, um bei den kritischen Punkten die Gräben zwischen den Staatengruppen zu überbrücken, ist fraglich.

Drei Stunden dauert allein der Handschüttel-Marathon, mit dem die französischen Gastgeber die mehr als 150 Staats- und Regierungschefs auf dem Konferenzgelände im Pariser Vorort Le Bourget begrüßen, streng bewacht von tausenden Polizisten. Damit die eigentlich auf drei Minuten angesetzten Reden der Spitzenpolitiker überhaupt in einem Tag abzuhandeln sind, sprechen sie parallel in zwei Plenarsälen.

Am Rande der Konferenz hagelt es währenddessen Zeichen des guten Willens. „Es könnte ein großer Tag für die erneuerbaren Energien sein“, lobt Greenpeace-Klimaexperte Martin Kaiser mit Blick auf die von Indien verfolgte Solar-Allianz und Ankündigungen von Bill Gates und anderen finanzstarken Investoren, mehr Geld in die Forschung zu stecken. Konkrete Projekte, die den gemeinsamen Willen zu mehr Klimaschutz unterstreichen sollen.

Geschickt platziert ist auch die Ankündigung von Deutschland, den USA, Frankreich und acht weiteren Ländern, 248 Millionen US-Dollar für einen Fonds bereitzustellen, der besonders armen Ländern bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels hilft. „Das hat hier ganz hohe Symbolkraft, ob man die ärmsten und am meisten betroffenen Länder mitnimmt“, sagt Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig. „Allerdings darf man darüber nicht vergessen, dass weitere Schritte seitens der Industrieländer nötig sind, um ihr Versprechen zu erfüllen, die Klima-Hilfen bis 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu erhöhen.“

Als ausgestreckte Hand an die Entwicklungsländer ist auch zu verstehen, dass Obama explizit auf die historische Verantwortung seines Landes verweist. Es ist einer der Dauer-Streitpunkte in den Klimaverhandlungen, dass die Industriestaaten bislang das meiste Treibhausgas in die Luft gepustet haben, nun aber auch die ärmeren Länder sparen müssen, wenn der Temperaturanstieg tatsächlich auf weniger als zwei Grad beschränkt werden soll.

Dass Kompromisse möglich sind, zeigt ein weiterer gemeinsamer Auftritt Obamas mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping am Morgen der Konferenz. Ohne die beiden größten Treibhausgaserzeuger ist ein weltweites Abkommen undenkbar, sie hatten sich zuletzt spürbar bewegt. Obamas Rede zeigt aber auch die Schwierigkeiten auf: Letztlich will Amerika sich weiter selbst vorbehalten, wie ambitioniert es beim Klimaschutz sein will.

Ob es tatsächlich zum ersten weltweiten Klimaabkommen kommt, liegt nun bis Ende kommender Woche in den Händen der 10 000 Delegierten. Der rund 50-seitige Textentwurf ist voller eckiger Klammern - so werden bei internationalen Verhandlungen strittige Textpassagen markiert. Trotz aller Aufbruchstimmung sind Beobachter skeptisch: „Das Abkommen selber wird nicht ehrgeizig genug sein“, sagt Kowalzig.

Klar ist, dass die nationalen Klimaanstrengungen bisher nicht ausreichen, um das gemeinsame Zwei-Grad-Ziel zu schaffen. Daher kommt viel auf die genaue Wortwahl an: Müssen die Staaten regelmäßig ihre Ziele verbessern? Schreiben die Staaten sich das Langfristziel einer weitgehend CO2-freien Wirtschaft ins Aufgabenheft, wie von Kanzlerin Angela Merkel gefordert?

Nach jahrelangem Gezerre und vielem Hin und Her ist es vielleicht so eine Art Gipfel der letzten Chance. „Man kann nicht immer weiter sagen, es ist fünf vor zwölf“, sagt der Grünen-Europaabgeordnete Bas Eickhout. Doch die Erwartungen seien diesmal auch sehr viel realistischer als beim gescheiterten Gipfel von Kopenhagen 2009. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mahnt: „Ein politischer Moment wie dieser kommt vielleicht nicht wieder.“