Analyse: Kuba kein sicherer Ort mehr für US-Flüchtlinge

Havanna (dpa) - Knappe 48 Stunden dauerte der letzte Fluchtversuch zweier US-Bürger ins vermeintlich sichere Kuba. Anfang April setzte sich ein Ehepaar aus den Vereinigten Staaten mit seinen beiden Kindern in einem Segelboot über die Floridastraße ab, nachdem es das Sorgerecht für die Jungen verloren hatte.

Trotz aller ideologischen Feindschaft funktionierte die Kooperation zwischen Washington und Havanna aber hervorragend - prompt wurden die Flüchtlinge der US-Justiz überstellt.

Der Fall könnte eine Warnung für den flüchtigen Edward Snowden sein. Experten glauben, die sozialistisch regierte Insel könnte sich für den sogenannten Whistleblower als ein gefährlicheres Pflaster erweisen als etwa Ecuador oder Venezuela. In der „Washington Post“ und dem Kuba-Blog des Washingtoner Center for International Policy wurde am Mittwoch dies sogar als der Grund vermutet, warum Snowden nach seiner Ankunft in Moskau nicht gleich am Montag die Weiterreise nach Havanna als Zwischenstation auf dem Weg nach Quito antrat.

Zwar ist der Fall des von den USA weltweit gesuchten Ex-Geheimdienstlers viel komplexer als der des Ehepaars aus Florida. Auch ist der brisante Politthriller keineswegs mit der Entführung von Minderjährigen zu vergleichen. Die damalige Reaktion aus Havanna zeigt aber: Castros Kuba ist längst nicht mehr nur auf sturem Konfrontationskurs zu Washington.

Mitten im Prozess der wirtschaftlichen Öffnung dürfte die sozialistische Insel kein Interesse daran haben, die USA zu brüskieren. Die Regierung von Raúl Castro führt gerade wieder vorsichtige Gespräche mit der Regierung von Präsident Barack Obama über das heikle Thema Einwanderung.

In den USA lebt die größte Gruppe der Exilkubaner. Dank der von Obama 2009 verfügten Embargo-Lockerungen dürfen sie ihre Familien auf der Insel öfter besuchen - dabei spülen sie auch Devisen in die chronisch knappen kubanischen Staatskassen. Trotz aller kämpferischen Rhetorik bietet der jüngere Bruder von Revolutionsführer Fidel Castro Washington auch regelmäßig einen Dialog „auf Augenhöhe“ an.

Beweisen müssen es die Kubaner ohnehin nicht mehr: Über Jahrzehnte verstand es der „Máximo Líder“, die Amerikaner aufs Äußerste zu provozieren. Mehr als 70 international gesuchte Personen hätten in den vergangenen 50 Jahren Zuflucht auf der Insel gefunden, rechnete am Sonntag die auf Kuba geborene republikanische US-Abgeordnete Ileana Ros-Lehtinen aus Florida vor.

Unter ihnen die ehemalige Black-Panther-Aktivistin Joanne Chesimard, die vor 40 Jahren einen Polizisten erschoss und seit 1984 anonym in Kuba leben soll. Die heute 65-jährige Afroamerikanerin wurde kürzlich als erste Frau auf die Liste der meistgesuchten Terroristen der US-Bundespolizei FBI gesetzt. Auch der Ex-CIA-Agent und spätere Kritiker des US-Geheimdienstes Philip Agee, der sich zeitweise in Deutschland aufhielt, lebte bis zu seinem Tod 2008 in Havanna.

Im Fall Snowden spielten nun andere Überlegungen eine Rolle, glaubt der Kuba-Experte Arturo López Levy. Diese hätten weniger mit Solidaritätsprinzipien zu tun, sagte der US-kubanische Politologe von der Denver-Universität der Nachrichtenagentur dpa. Schließlich könne die kommunistische Castro-Regierung mit der Informationsfreiheit, die Snowden für sein Handeln beansprucht, wenig anfangen.

Es gehe vor allem um strategische Überlegungen zu den Auswirkungen auf die Beziehungen mit den USA, sollten sie Snowden tatsächlich zur Flucht verhelfen. „Wenn Kuba bei anderen Akteuren wie Moskau oder Peking keinen konkreten Gewinn erzielen kann, dann wird es eher dazu tendieren, Snowden so fern wie möglich zu halten“, glaubt López Levy.

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