Analyse: Letzte Chance für Assad

Moskau (dpa) - Den für die Russen entscheidenden Satz zur Debatte um einen Militärschlag gegen Syrien ließ US-Präsident Barack Obama kurz nach einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin fallen. „Mich drängt es nicht zur einer Militäraktion“, meinte er zu fortgeschrittener Zeit.

Das war am vergangenen Freitag. Ein ermüdender G20-Gipfel in St. Petersburg ging zu Ende - und Obama hatte schon viel und lange zu Syrien gesprochen.

Obama hatte dort auch ein 30-Minuten-Gespräch mit Putin. Es ging nur um Syrien und darum, wie das Problem der Chemiewaffen in dem Bürgerkriegsland aus der Welt zu schaffen ist. Er höre hier in St. Petersburg und anderswo Vorschläge, wie die schärfste Bestrafung - die Bombardierung mit möglichen neuen Opfern - zu umgehen sei, sagte Obama. Aber eigentlich nichts Machbares.

Er bevorzuge eine international abgestimmte Reaktion, damit Assad die Botschaft erhalte, fügte der US-Präsident hinzu. „Mein Ziel ist es, die internationale Norm zum Verbot chemischer Waffen durchzusetzen“, betonte Obama. Für russische Ohren klang das nicht unbedingt nach Gewaltbereitschaft.

Putin dürfte Obama noch einmal an seinen Titel als Friedensnobelpreisträger erinnert haben. Und daran, dass eine militärische Intervention internationaler Rechtsbruch sei. Es gebe weder ein UN-Mandat dafür noch würden die USA angegriffen und müssten sich verteidigen.

Russland warnt inzwischen täglich vor den möglichen katastrophalen Folgen eines US-Militärschlags für die gesamte Region und vor der Gefahr, dass Syrien künftig von unkontrollierbaren Islamisten und Terroristen geführt werden könnte. Die beiden mächtigsten Politiker der Welt trennten sich aber in St. Petersburg noch ohne Einigung.

Obama machte noch einmal deutlich, dass er Assad die Schuld an der Vergasung von 1400 Menschen, darunter 400 Kinder, gibt. Putin hingegen machte Assads Gegner dafür verantwortlich. Beide sehen für ihre Thesen erdrückende Beweise.

Nun am Montag aber die neue diplomatische Offensive. Russlands Außenminister Sergej Lawrow trifft seinen syrischen Kollegen Walid al-Muallim in Moskau. Dann teilt er bei seiner Blitz-Pressekonferenz in Moskau mit, dass der Kollege den neuen Vorschlag an Assad übergeben werde. Schon kurz zuvor schlägt auch US-Außenminister John Kerry vor, dass Syrien sich von seinen Chemiewaffen trennen solle.

„Wir fordern die syrische Führung auf, die Chemiewaffen nicht nur unter internationale Kontrolle zu stellen, sondern auch später zu vernichten“, sagt Lawrow kurz. Außerdem solle sich Syrien der Organisation über das Verbot dieser Waffen anschließen. Er hoffe auf eine schnelle und positive Antwort aus Syrien.

Überraschend schnell begrüßt nicht nur der syrische Außenminister die „russische Initiative“. Es gehe ja darum, einen US-Militärschlag zu verhindern und die Syrer zu schützen. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der selbst in St. Petersburg beim G20-Gipfel gewesen war, lobt die Idee von Lawrow und Kerry.

Alle Seiten gewinnen Zeit. Doch Kerry und Lawrow hatten zuletzt schon eine Friedenskonferenz in Genf vorgeschlagen. Zumindest aus diesem Vorschlag ist bis heute nichts geworden.