Analyse: Libyen-Einsatz der Nato kein Modell für die Zukunft
Brüssel (dpa) - Es war ein Krieg der Präzisionsbomben. Aus sicherer Entfernung zerstörten Nato-Flugzeuge so lange die militärischen Einrichtungen in Libyen, bis die Rebellen Gaddafi verjagt hatten.
Es hätte auch anders laufen können. Ein Modell für die Zukunft ist der Einsatz eher nicht.
Wenn der Militäreinsatz an diesem Montag (31.10.) nach genau sieben Monaten offiziell beendet wird, überlässt die Nato die Verantwortung für die Zustände in dem nordafrikanischen Land dem Nationalen Übergangsrat der einstigen Rebellen.
Die Allianz sieht den Einsatz als einen militärischen und auch politischen Erfolg zugunsten von Demokratie und Menschenrechten - beeinträchtigt allerdings durch den noch unaufgeklärten gewaltsamen Tod von Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi und die öffentliche Zurschaustellung seines Leichnams. Die allgemeine Zufriedenheit - immerhin wurde kein einziger Nato-Soldat während des Einsatzes verletzt - erübrige aber nicht eine kritische Aufarbeitung, sagen Diplomaten in Brüssel.
Der Einsatz zum Schutz der Zivilbevölkerung vor den Truppen Gaddafis hat nach Ansicht des einstigen US-Verteidigungsministers Robert Gates vor allem die Probleme der Nato sichtbar gemacht. Einerseits ein Mangel an gemeinsamem politischen Willen zum Handeln, andererseits zunehmende Defizite bei militärischen Fähigkeiten. Dem Bündnis drohe die „militärische Bedeutungslosigkeit“, analysierte Gates.
Von den 28 Verbündeten beteiligten sich nur 12 direkt am Militäreinsatz in Libyen. Viele deswegen nicht, weil sie militärisch dazu gar nicht in der Lage gewesen wären. Andere Mitglieder wie Deutschland und Polen waren nicht dabei, weil sie den Einsatz für militärisch und politisch zu gewagt hielten.
Gates sieht ein „Zwei-Klassen-Bündnis“ in Europa: Einerseits jene, die die Lasten und Risiken von Einsätzen trügen, andererseits „jene, die die Vorteil des Bündnisses nutzen, die Risiken aber nicht tragen mögen“. Wären nicht noch vier Nicht-Nato-Staaten dabei gewesen - neben Schweden auch Jordanien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate - so wäre es möglicherweise im Himmel über Libyen sogar eng für die Nato geworden.
„Schon nach elf Wochen Einsatz gegen ein schlecht bewaffnetes Regime in einem dünn besiedelten Land ging dem mächtigsten Bündnis aller Zeiten die Präzisionsmunition aus und es musste wieder mal die USA um Hilfe bitten“, höhnte Gates.
Beim nächsten Nato-Gipfel im Mai 2012 in Chicago sollen nach dem Willen von Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen Konsequenzen gezogen werden. Rasmussen wolle mehr politische Geschlossenheit, sagen Nato-Beamte.
Dass ein Land wie Deutschland im UN-Sicherheitsrat der von der Nato gewünschten Libyen-Resolution nicht zustimmt, ist in der Nato-Zentrale in Brüssel noch keineswegs vergessen. Allerdings warnen auch Nato-Diplomaten, Libyen sei kein Modell. Nicht alle Militäreinsätze der Zukunft könnten mit vergleichsweise geringem Aufwand und Risiko aus der Luft geführt und ohne Bodentruppen beendet werden.
Zweitens geht es Rasmussen aber auch um mehr militärische Fähigkeiten. Mit „Smart Defense“ sollen künftig wenigstens jene Verbündeten, die immerhin politisch bereit wären, in die Lage versetzt werden, das auch militärisch zu tun. In Chicago soll Zusammenarbeit und eine Bündelung der Kräfte (und Ausgaben) vereinbart werden. Trotz klammer Staatshaushalte sollen die Nato-Staaten wenigstens das Nötigste tun können, um künftig nicht militärisch gänzlich mit leeren Händen dazustehen.
Freilich haben sich die Regierungen sowohl in der Nato als auch in der Europäischen Union schon oft engere Zusammenarbeit und Aufgabenteilung versprochen. Die Ergebnisse halten sich in Grenzen. Bisher jedenfalls.