Analyse: Mehr Verzweiflung als Hoffnung

München (dpa) - Hoffnung und Zuversicht? Davon war drei Tage lang wenig zu spüren in München. Stattdessen gab es im Hotel Bayerischer Hof ganz andere Töne: Spaltung Europas, Bruch des Völkerrechts, Krieg.

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Dies war eine der wichtigsten Sicherheitskonferenzen seit dem Ende des Kalten Krieges vor 25 Jahren. Aber am Ende des dreitägigen Treffens von mehr als 400 Politikern und Experten aus etwa 90 Ländern blieb nur das flaue Gefühl, dass in der Ukraine alles noch viel schlimmer kommen könnte, als es ohnehin schon ist.

„Wir sind von einer politischen Lösung des Ukraine-Konflikts auch nach dem letzten Verhandlungswochenende weit entfernt“, lautete die ernüchternde Bilanz von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier am Sonntag.

Den eindrucksvollsten Auftritt der denkwürdigen Tage im kalten München hatte einmal mehr Petro Poroschenko. Wie schon vor zwei Wochen in Davos nutzte der ukrainische Präsident das internationale Forum, um bei Europäern und Amerikanern um Unterstützung für seinen Kampf gegen die prorussischen Separatisten zu werben. In die Schweiz hatte er ein Trümmerteil eines zerschossenen Busses dabei.

In München präsentierte der Ukrainer russische Pässe als - so sagte er - Beweis dafür, dass seine Truppen auch gegen Moskau kämpfen. „Ich bin ein Präsident des Friedens, kein Kriegspräsident“, beteuerte Poroschenko. Gleichzeitig forderte er aber Waffen vom Westen. Das passt nicht gut zusammen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow wiederum hatte sich für die Münchner Konferenz vor allem eins vorgenommen: dem Westen die wirklich vollständige Schuld für das Desaster in der Ostukraine zu geben. Barsch und schmallippig kritisierte der Russe insbesondere die „amerikanische Obsession“ der Raketenabwehr in Europa und hielt den USA vor, damit globale Dominanz erreichen zu wollen. „Es stellt sich die Frage, ob sie eine Sicherheit mit, ohne oder gegen Russland errichten wollen.“

Die beiden Reden klangen so, als wenn in den Tagen zuvor nichts gewesen sei. Keine Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande nach Moskau, kein neuer Friedensplan - nichts.

Merkel war angesichts der verfahrenen Lage in München vor allem damit beschäftigt, die Reihen des Westens zu schließen. Um die immer lauter werdende Forderungen nach Waffenlieferungen in die Ukraine abzuwehren, bemühte sie einmal mehr ihre DDR-Vergangenheit.

Als siebenjähriges Kind habe sie miterlebt, wie in Berlin die Mauer gebaut wurde. Auch damals habe niemand an ein militärisches Eingreifen gedacht, um die Menschen in der DDR vor vielen Jahren der Diktatur und Unfreiheit zu bewahren. „Das war eine realistische Einschätzung kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, dass das nicht zum Erfolg führt.“

Was Merkel beschreibt, ist der Kalte Krieg, der Europa vier Jahrzehnte lang geteilt hat. Nach der russischen Annexion der Krim ist oft gefragt worden, ob dies nun der neue Kalte Krieg sei. Merkels Antwort klingt wie ein Ja.

Nur - anders als damals sichert jetzt nicht das Prinzip der Abschreckung den Frieden zwischen zwei hochgerüsteten Blöcken. Es gibt bereits einen „heißen Krieg“ mitten in Europa. Und Russland wird nicht nur von Poroschenko, sondern auch vom Westen als Kriegspartei angesehen.

Es gab in München trotzdem einige, die eine Drohkulisse für sinnvoll halten. Auch unter den Europäern. „Diplomatie ohne Waffen ist wie Musik ohne Instrumente“, sagte etwa der frühere britische Außen- und Verteidigungsminister Malcolm Rifkind.

Merkel hielt dagegen, der russische Präsident Wladimir Putin werde sich auch von einer hochgerüsteten ukrainischen Armee nicht beeindrucken lassen. „Militärisch ist das nicht zu gewinnen, das ist die bittere Wahrheit“, sagte sie.

Am Montag will die Kanzlerin bei einem Kurzbesuch in Washington US-Präsident Barack Obama von ihrer Linie überzeugen. Vor dem Abflug stand am Sonntag ein Telefonat mit Poroschenko, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Hollande auf ihrem Programm.

Ziel ist ein neuer Friedensplan, oder besser gesagt: Eine überarbeitete und ergänzte Neuauflage des Minsker Abkommens von Anfang September, das von den prorussischen Separatisten und den prowestlichen Regierungstruppen nicht eingehalten wird. Die entscheidende Frage ist dabei: Wie geht man mit den Gebietsgewinnen der Separatisten um, wo soll die Demarkationslinie verlaufen? Eine Lösung zeichnete sich in München nicht ab.

Übrigens: Auf der Konferenz wurde auch über andere Krisen geredet. Über den Terror des Islamischen Staats, den Krieg in Afghanistan oder den Atomstreit mit dem Iran. Für die Vereinten Nationen wurden dagegen nur 15 Minuten angesetzt. Das entspricht der Nebenrolle der UN bei der Bewältigung der aktuellen Krisen. Auch das ist eine traurige Folge des Zerwürfnisses zwischen Russland und dem Westen. Von einem Begriff war auch in München immer seltener die Rede: von dem der Weltgemeinschaft.