Analyse: Merkels Doppelstrategie gegenüber Moskau

Newport (dpa) - Als die modernsten, schnellsten und schlagkräftigsten Kampfflugzeuge der Nato über sie hinwegdonnern, verzieht die Bundeskanzlerin ein wenig das Gesicht.

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Der französische Präsident François Hollande versucht Angela Merkel noch gut zuzureden. Aber auch das kann sie nicht für die Flugshow begeistern, die sie auf den zweiten Tag des Nato-Gipfels einstimmen soll.

Vor der Kulisse eines Kampfjets verfolgen 28 Staats- und Regierungschefs das Spektakel, an dessen Ende britische „Red Arrows“ den Himmel über dem Golfhotel „Celtic Manor“ rot, weiß und blau färben - die britischen Nationalfarben.

Merkel mag weder Flugshows noch Gruppenfotos vor Kampfflugzeugen. Sie hält auch nichts von politischem Säbelrasseln und Kriegsrhetorik. Die kam schon vor dem Gipfel vor allem aus dem Baltikum. „Russland befindet sich praktisch in einem Kriegszustand mit Europa“, schnarrte die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite.

Die Bundeskanzlerin ist nach Wales gekommen, um dazu beizutragen, dass genau das nicht passiert. Mit der schnellen Eingreiftruppe für Krisensituationen, die am Freitag von der Nato beschlossen wird, ist sie einverstanden. Auch mit verstärkten Manövern und der Luftraumüberwachung über dem Baltikum, an der die Bundeswehr seit Montag mit sechs „Eurofightern“ beteiligt ist.

Die Balten und Polen wollen aber weit mehr, eine Aufkündigung der Nato-Russland-Akte von 1997 zum Beispiel. Das würde die Durchtrennung des Gesprächsfadens nach Moskau bedeuten. Für Merkel kommt das nicht in Frage. Härte und Entschlossenheit zeigen mit Sanktionen, aber gleichzeitig offen sein für Gespräche - „diese Doppelstrategie ist aus meiner Sicht der Schlüssel zum Erfolg“, sagt Merkel.

In Newport setzt sich diese Doppelstrategie durch - auch weil der ukrainische Präsident Petro Poroschenko schon am Donnerstag unter den Teilnehmern Zuversicht verbreitet, dass es bald zu einer Einigung über einen Waffenstillstand in der Ostukraine kommen könnte. Am Freitag ist es so weit. In Minsk wird eine entsprechende Vereinbarung getroffen - kurz bevor der Nato-Gipfel zu Ende geht.

Für Merkel endet damit auch eine der wichtigsten außenpolitischen Wochen ihrer Amtszeit einigermaßen zufriedenstellend. Begonnen hatte sie am Montag mit einem Ja zu Waffenlieferungen an die Kurden im Irak für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Merkel hatte zuvor noch nie eine Entscheidung für einen Eingriff in einen kriegerischen Konflikt getroffen. Das Engagement soll fortgesetzt werden. Beim Nato-Gipfel schmiedete Deutschland gemeinsam mit zehn weiteren Staaten eine Allianz gegen den IS. Forderungen, die über Waffenlieferungen hinausgehen, wurden an Merkel aber nicht herangetragen.

Ihre Gipfelbilanz präsentierte Merkel demonstrativ gemeinsam mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Über Differenzen innerhalb der Troika der deutschen Sicherheitspolitik ist in den vergangenen Wochen viel spekuliert worden. Der „Spiegel“ berichtete, von der Leyen habe Merkel in die Entscheidung für Waffenlieferungen hineingetrieben. Der „Stern“ taufte die Verteidigungsministerin sogar zur „Kriegsministerin“ um.

In Newport hielt sich die CDU-Politikerin auffallend bedeckt. Die großen Linien der Außenpolitik ließ sie Merkel und Steinmeier erklären. Sie selbst konzentrierte sich darauf, die militärischen Einzelheiten zu erläutern. Damit scheint Merkel in dieser wichtigen außenpolitischen Woche auch die Sicherheitsarchitektur in der Bundesregierung wieder zurechtgerückt zu haben.

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