Analyse: Merkels Energiewende auf Schlingerkurs

Berlin (dpa) - Angela Merkel spricht Klartext. Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung sei „eines der besten Mittel“, betont die Kanzlerin bei einem Branchenempfang in Berlin.

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Denn die meiste Energie wird für das Heizen verwendet, fast zehn Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland bräuchten nach Ansicht von Experten gedämmte Fassaden, neue Fenster oder Heizkessel.

Einmal schon war ein Steuerbonus unter Schwarz-Gelb gescheitert. Jetzt wollte ihn die CDU-Chefin unbedingt, um den Verbrauch von Öl, Kohle und Gas zu drosseln. Im Dezember gab es eine Grundsatzeinigung, dann folgte Streit ums Geld. „Wir haben so oft vorgerechnet, dass durch die Mehrwertsteuereinnahmen mehr in die Kasse kommt als die Ausfälle im steuerlichen Bereich sind“, sagte Merkel mahnend im Januar an die Adresse gerade der rot-grünen Länder. Doch nun ist sie erstmal gescheitert. Auch an CSU-Chef Horst Seehofer.

Im Januar hatten Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium ein Eckpunktepapier für einen Steuerbonus auf Sanierungen vorgelegt: Eine Milliarde Fördervolumen pro Jahr, über zehn Jahre verteilt sollten 10 bis 25 Prozent der Kosten von der Steuerlast abgezogen werden können. Dazu sollten der Austausch von Heizkesseln, Fenstern und Türen, neue Lüftungstechnik sowie die Dämmung von Dach und Außenwand gehören.

Ein Beispiel: Der neue Heizkessel kostet 5000 Euro. Anrechenbar in der Steuererklärung sollten dann 10 Prozent für diese Einzelmaßnahme sein, also 50 Euro pro Jahr, über zehn Jahre 500 Euro. Saniert ein Hausbesitzer im großen Stil, Heizung, Dämmung, Fenster, Dach, hätte er bis zu 25 Prozent der Kosten bei der Steuer zurückbekommen.

Doch daraus wird erstmal nichts, die große Koalition steht blamiert da. Dienstagabend, Koalitionsgipfel im Kanzleramt. Mietpreisbremse und die Bürokratie beim Mindestlohn stehen oben auf der Agenda. Aber erst mit Verzögerung sickert durch, dass nebenbei auch das geplante Konjunkturprogramm für die Dämmung auf Eis gelegt worden ist. „Über eine steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung konnte im Koalitionsausschuss keine Einigung erzielt werden“, heißt es in einem Brief von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann an die Fraktion.

Das war aber ein zentrales Element des im Dezember vom Kabinett beschlossenen Nationalen Plans Energieeffizienz, um bis 2020 das Ziel von 40 Prozent weniger Treibhausgasausstößen im Vergleich zu 1990 noch zu schaffen. 2,1 Millionen Tonnen CO2 sollten allein durch das von 2015 bis 2020 angelegte Steuerbonus-Programm eingespart werden.

Der Haken war die Gegenfinanzierung, die Bundesländer seien nicht bereit, einen Cent beizutragen, wettert das Handwerk. Daher sollte der Handwerkerbonus etwas abgeschmolzen werden. Nur noch Leistungen oberhalb von 300 Euro sollten beim Finanzamt von der Steuerschuld abziehbar sein, für viele Handwerker war das okay, da sie bei kleinen Rechnungen einiges an Papierkram hätten sparen können. Der Mieterbund kritisierte aber, dass das Millionen Mieter treffen würde, während Hausbesitzer bei der Sanierung vom neuen Bonus profitierten. Und die CSU mäkelte: das könnte wie eine heimliche Steuererhöhung ankommen.

Vor allem Seehofer trat auf die Bremse - und wird nun mal wieder an den Pranger gestellt. Wenngleich SPD und Grüne gerne unterschlagen, dass ihre Bundesländer den Steuerbonus schon mehrfach torpediert haben. Das größte Problem sind die schlecht gedämmten, zu Zeiten billigen Öls bis in die 1970er Jahre hinein gebauten Häuser - erst 1977 trat in Deutschland die erste Wärmeschutzverordnung in Kraft.

Fakt sei, dass in vielen alten Häusern „im Winter mehr der Garten als das Wohnzimmer geheizt wird“, meint Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der sein Haus in Goslar bereits wärmegedämmt hat.

Um den Bedarf fossiler Energie zu drosseln und die Klimaschutzziele zu schaffen, muss hier bald was passieren. Das Zuschussprogramm der KfW-Bank wurde zwar auf zwei Milliarden Euro im Jahr erhöht, maximal gefördert werden 50 000 Euro pro Wohneinheit. Aber der Steueranreiz gilt vielen als besseres Konzept, um die Sanierungsrate zu erhöhen.

Merkel selbst hatte Planungssicherheit zur obersten Maxime bei der Energiewende erklärt. Und bisher hat sie es auch nicht geschafft, Seehofer zu grünem Licht für zwei Stromautobahnen nach Bayern zu bewegen. Sie will das nun bis zum Juni klären, obwohl der Bau schon Mitte 2013 auch von Seehofer gebilligt worden ist. Die einstige Staatsministern bei Merkel und heutige Hauptgeschäftsführerin des Energieverbands BDEW, Hildegard Müller, meint zum Scheitern des Steuerbonus: „Wir erleben den nächsten Akt eines Trauerspiels.“