Analyse: Mursis Sturz schwächt Hamas
Gaza/Ramallah/Tel Aviv (dpa) - Bei der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen herrscht Kater-Stimmung. Als Mohammed Mursi vor einem Jahr zum ägyptischen Präsidenten gewählt wurde, veranstaltete die ebenfalls der Muslimbruderschaft angehörende Hamas in der palästinensischen Enklave Jubelfeiern.
Ihre Anhänger ballerten vor Freude in die Luft. Jetzt herrscht Schockstarre, wie die israelische Zeitung „Jediot Achronot“ schrieb. „Der K.O.-Schlag für Hamas kam mit der zweiten Revolution und dem Ende der Herrschaft der Muslimbruderschaft in Kairo“, kommentierte die palästinensische Zeitung Al-Ayyam am Samstag. Profitieren könnte davon US-Außenminister John Kerry, der die Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern wieder in Gang bringen will.
Die Hamas-Führer, Regierungschef Ismail Hanija und Exil-Chef Chaled Maschaal, stehen vor einem Scherbenhaufen. Es klang nach dem Pfeifen im dunklen Walde, was Hanija nach dem Verlust seines Verbündeten in Kairo sagte: „Unsere Menschen sind wohl traurig, aber das bedeutet nicht, dass die Staaten der Region uns nicht weiter unterstützten würden“.
Der Iran aber hat seine Hilfe stark zurückgefahren, seit sich die Hamas im Vertrauen auf Mursi von Syriens Machthaber Baschar al-Assad und der Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon abwandte. Und Dollar-Millionen sowie Versorgungsgüter aus dem reichen Öl-Staat Katar, der der Muslimbruderschaft nahe steht, dürften auch nur noch spärlich durch Ägypten zum Gazastreifen gelangen.
Gestärkt scheint dafür Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Westjordanland. In einem Glückwunschtelegramm an Ägyptens neuen Interimspräsidenten Adli Mansur drückte er die Hoffnung aus, dass das ägyptische Volk nun seinen Traum von Freiheit, Ehre und Stabilität verwirklichen könne. Ein Seitenhieb auf das zunehmend moralinsaure, islamistische Hamas-Regime. Die Fatah von Abbas war 2007 von der Hamas nach mehrtägigen Kämpfen aus dem Gazastreifen vertrieben worden. Bemühungen um eine Aussöhnung kommen nicht voran.
Ein gestärkter Abbas aber könnte nach Ansicht von Kommentatoren eher in der Lage sein, das Risiko neuer Verhandlungen mit Israel einzugehen. „Israel kann sich auf Friedensgespräche mit Abu Mazen (Abbas) einlassen, dessen Position nun wesentlich gestärkt werden dürfte“, schrieb „Jediot Achronot“. Es bestehe aber auch die Gefahr, dass eine in die Enge getriebene Hamas ihr Heil in neuen Raketen-Angriffen auf Israel suchen könnte.
Das aber hält der palästinensische Politologe Mekemer Abu Seda von der Al-Ashar-Universität in Gaza für unwahrscheinlich weil zu riskant. „Israel würde zu hart zurückschlagen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa am Samstag. Der Hamas bleibe deshalb nur die Aussöhnung mit Fatah. „Dies würde dann auch Kerry helfen, die Gespräche mit Israel wieder in Gang zu bringen“, meint Abu Seda.