Analyse: Neue Mauern - oder das Leben mit der Gefahr
Dresden/Eilenburg (dpa) - Die Bilder aus den Hochwassergebieten ähneln jenen von 2002: Überschwemmte Straßenzüge und Helfer mit Sandsäcken. Dabei hat sich seit der Jahrhundertflut einiges getan.
Allein Sachsen hat nach Angaben des Umweltministeriums rund 650 Millionen Euro in den Hochwasserschutz investiert - mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Drei Beispiele:
EILENBURG: Die 16 000-Einwohner-Stadt in Nordsachsen gilt als ein Muster in Sachen Hochwasserschutz. 35 Millionen Euro sind seit der Jahrhundertflut in ein 13 Kilometer langes Schutzsystem investiert worden. Dabei wurden auch Deiche zurückverlegt, um dem Fluss Mulde mehr Platz zu geben. An der neuerbauten Schutzmauer stand das Wasser nun bis zur Oberkante - 6,80 Meter hoch. Aber dabei blieb es. Nun können die Eilenburger nach mehr als 60 bangen Stunden und drei Nächten in Notquartieren wieder aufzuatmen.
Nur ein Deich vor den Toren der Stadt wurde überspült, doch die restlichen Dämme haben gehalten. Die Innenstadt blieb trocken. Seit Mittwochmorgen dürfen 7000 Bürger in ihre Häuser zurückkehren. Der Krisenstab bestätigt: Eilenburg sei gewappnet gegen ein Jahrhunderthochwasser. Auch wenn das keine hundertprozentige Sicherheit bedeutet. „Wir sind mit einem blauen Auge und ein bisschen feuchten Füßen davongekommen“, sagt Oberbürgermeister Hubertus Wacker (parteilos). „Die Bürger sind fast wunschlos glücklich und wahnsinnig dankbar.“
2002 sah das ganz anders aus: Damals war die Mulde auf ähnliche Höhen gestiegen. Fünf Dämme brachen, Eilenburg wurde überschwemmt. Das Wasser stand zwei Meter hoch in der Innenstadt, die Schäden summierten sich auf rund 140 Millionen Euro.
DRESDEN: Die sächsische Barockstadt Dresden war 2002 schwer von der Flut gebeutelt. Nun sieht es in ihren Stadtteilen Gohlis und Laubegast wieder ganz ähnlich aus. Beide stehen unter Wasser. Laubegast an der Elbe ist zur Insel geworden, in vielen Haushalten fehlt der Strom. Die Feuerwehr bietet die Evakuierung der Häuser an. Doch gegen die Planungen für eine Hochwasserschutz-Mauer wehren sich Bewohner hartnäckig, bis hin zu einer Bürgerinitiative. „Der wunderbare Wohnwert dieses Viertels ist dann einfach hin. Das ist nun mal ein Fischerdorf“, sagt Silvia Tröster, die in Laubegast wohnt. Eine andere Nachbarin sagt: „Lieber räume ich alle paar Jahre mal die Wohnung aus, als dass ich nicht mehr auf die Elbe blicken zu kann.“
Die Flut von 2002 ist den Bewohnern noch in Erinnerung, viele verbinden damit aber auch Gutes: Die Hilfsbereitschaft sei groß gewesen. Was würde eine Schutzmauer für die Attraktivität eines Ortes bedeuten? Viele Betroffene würden abwägen, erklärt ein Sprecher des sächsischen Umweltministeriums. Einige kämen zu dem Schluss, dass kleineren Überschwemmungen beizukommen sei. Bei Wasserständen wie 2002 und 2013 seien Schäden dann aber unausweichlich.
GRIMMA: In dieser Stadt hat es laut Umweltministerium in Sachen Hochwasserschutz-Mauer lange gedauert, bis eine akzeptable Lösung gefunden wurde. Mauergegner und Mauerfreunde einigten sich schließlich auf einen Kompromiss. Die Mauer wird gebaut. Aber sie soll später aussehen, wie die historische Stadtmauer. Für das aktuelle Hochwasser hat der Kompromiss noch nichts genutzt. Grimma stand wieder unter Wasser. Das Aufräumen wird teuer. Manche verzweifelte Einwohner brauchten seelsorgerische Betreuung, heißt es.