Analyse: Neues Treffen zur Krim-Krise Chance für Diplomatie?
Riad/Moskau (dpa) - Diesmal lässt Barack Obama nicht locker - und das könnte sich auszahlen. Egal, wo der US-Präsident zuletzt auftauchte, ob in Den Haag, Brüssel, Rom oder Riad: Deutlich kritisierte er Wladimir Putin für die Annexion der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Krim.
Jetzt, mitten in einem wichtigen Besuch in Saudi-Arabien, klingelte plötzlich sein Telefon. Die Überraschung stand den Regierungsbeamten im Pressehotel ins Gesicht geschrieben, als am anderen Ende Kremlchef Putin zu hören war. Denn zuletzt war es meist Obama, der in der tiefsten Krise seit dem Ende des Kalten Krieges zum Hörer griff.
Eine Stunde dauerte das Gespräch, und die Staatschefs vereinbarten unter anderem ein erneutes Treffen ihrer Außenminister. Noch am Sonntagabend sollten John Kerry und Sergej Lawrow in Paris zusammenkommen.
Doch Lawrow dämpfte vor seiner Abreise in die französische Hauptstadt die Erwartungen. Appelle nach einer „Herausgabe“ der Krim seien „absolut aussichtslos“, sagte der russische Chefdiplomat im Staatsfernsehen. Noch vor einigen Wochen war dies aber die Hauptforderung im schriftlichen Lösungsvorschlag, den Kerry seinem Amtskollegen überreicht hatte. Jetzt war augenfällig, dass das Wort Krim in der Mitteilung des Weißen Hauses zum Telefonat der Präsidenten nicht vorkam. Was bleibt also auf dem Verhandlungstisch?
Der einflussreiche russische Außenpolitiker Alexej Puschkow schließt ein Nachgeben des Kremls in den wesentlichen Fragen aus. Eine US-Weltordnung nach dem Motto „Pax Americana“ (amerikanischer Friede) werde es nicht geben. Sogar Obama rücke ja mittlerweile vom „Mythos“ ab, der Machtwechsel in Kiew sei sauber und demokratisch verlaufen, behauptete Puschkow beim Kurznachrichtendienst Twitter.
Der Kreml sieht die Krim fest in Moskaus Schoß - „für immer“. So ist nicht unwahrscheinlich, dass die USA von Russland nunmehr den Truppenabzug aus der Grenzregion fordern sowie die Einrichtung einer Kontaktgruppe mit russischen, ukrainischen, amerikanischen und europäischen Regierungsvertretern. Ob das klappt? Immerhin ist die diplomatische Tür nun wieder einen Spalt breit offen.
Als Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte mahnte Obama in einem TV-Interview bereits den sofortigen Abzug der russischen Truppen von der ukrainischen Grenze an. Dies sei der einzige Weg, die Situation in der Region zu deeskalieren. Rund 30 000 Mann soll Moskau zusammengezogen haben - als Drohpotenzial gegenüber der prowestlichen Führung in Kiew, wie Kremlkritiker in Moskau meinen.
Es sei unklar, was Russland diesmal „unter dem Vorwand eines Trainingseinsatzes“ vorhabe, sagte auch Obama. „Es könnte einfach ein Versuch sein, die Ukraine einzuschüchtern - oder vielleicht haben sie weitergehende Pläne.“
Lawrow wies dies zurück. Russland wolle nicht in der Ukraine einmarschieren - aber das krisengeschüttelte Nachbarland benötige eine neue Verfassung, betont er. Der Kreml sieht die Rechte des russisch geprägten Bevölkerungsanteils in der Ukraine nicht genügend berücksichtigt - und wird den Druck auf Kiew aufrechterhalten.
Auf amerikanischer Seite herrscht weiter tiefes Misstrauen. Putin solle seine Vorstellungen zur Krisenlösung doch bitte schriftlich ans Weiße Haus schicken, legte Obama dem russischen Präsidenten bei dem Telefonat nahe. Als hätte das gesprochene Wort seines Amtskollegen für ihn keinen Wert mehr. In der Krim-Krise will sich Washington von Moskau nicht weiter täuschen lassen.