Lawrow fordert neue Verfassung in Kiew
Moskau/Kiew (dpa) - Im Ukraine-Konflikt hat Russland das krisengeschüttelte Nachbarland mit Nachdruck aufgefordert, den russischsprachigen Landesteilen mehr Rechte einzuräumen.
Die Führung in Kiew müsse schnell eine neue Verfassung ausarbeiten, in der die militärische Neutralität der Ex-Sowjetrepublik festgeschrieben sei - somit auch der Verzicht auf einen Nato-Beitritt. Das sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow dem Staatsfernsehen.
Er wollte sich am Sonntagabend in Paris mit seinem US-Kollegen John Kerry treffen, um auch über die von Russland annektierte Halbinsel Krim zu sprechen. Lawrow hatte am Vortag dementiert, dass Russland an der Grenze zur Ukraine Truppen für einen Einmarsch zusammenziehe.
Der Minister verlangte von der Ukraine erneut die Anerkennung von Russisch als zweiter Amtssprache. Die von der EU und den USA in der Krim-Krise verhängten Sanktionen nannte er „unnötig und unbequem“. Im russisch geprägten Osten der Ukraine demonstrierten unterdessen erneut Tausende für ein Moskau-Referendum nach dem Vorbild der Krim.
Auf der Schwarzmeer-Halbinsel bejubelten Tausende in der Nacht zum Sonntag den offiziellen Beitritt zur Moskauer Zeitzone. Fernsehbilder zeigten eine Menschenmenge, die russische Fahnen schwenkte und verfolgte, wie die zentrale Bahnhofsuhr in Simferopol um zwei Stunden - auf Moskauer Zeit - vorgestellt wurde. Es gehe um eine weitere Integration in russische Strukturen und einen „historischen Moment“, sagte ein Sprecher der selbst ernannten Führung.
In Kiew gedachten Tausende der Opfer der jüngsten Proteste. Auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) der Hauptstadt erklang nach einer Schweigeminute die ukrainische Hymne, danach legten Trauernde Blumen nieder. Auch Ex-Boxchampion Vitali Klitschko und der Unternehmer Pjotr Poroschenko kamen zu der Veranstaltung. Dem mit Klitschko verbündeten Poroschenko werden bei der Präsidentenwahl am 25. Mai gute Chancen eingeräumt. Bei den monatelangen Protesten waren etwa 100 Menschen getötet und Tausende verletzt worden.
Die Krim hatte nach ihrem international nicht anerkannten Beitritt zu Russland bereits den Rubel eingeführt, parallel zur ukrainischen Währung Griwna. Immer mehr Krim-Bewohner würden einen russischen Pass beantragen, sagte Konstantin Romodanowski vom Migrationsamt. Die Behörden gehen davon aus, dass bald zwei Millionen der etwa 2,4 Millionen Menschen auf der Halbinsel russische Dokumente besitzen.
Kritik an der örtlichen Führung kam aber von den Krimtataren. Ihnen gehe die Integration viel zu schnell, sagten Vertreter der Gemeinschaft bei einer Versammlung in Bachtschissarai. Sie forderten „mehr Selbstbestimmung“ - ohne aber nähere Schritte zu planen. Die muslimischen Krimtataren sind traditionell eher der Ukraine zugewandt und hatten zum Boykott des Russland-Referendums aufgerufen. Nach ihrer Deportation unter Sowjetdiktator Josef Stalin siedelten sie sich in den vergangenen Jahren wieder auf der Krim an. Kremlchef Wladimir Putin hatte den etwa 300 000 Krimtataren umfangreiche Rechte zugesichert.