Analyse: Obama lässt Mubarak fallen
Washington (dpa) - Es ist die wohl größte außenpolitische Krise für Barack Obama. Lange hat er gezögert und gezaudert, doch jetzt macht er klar, was er will: Husni Mubarak muss gehen - und zwar rasch.
Gerade mal eine Woche dauert der Aufstand in Ägypten. Selten haben die USA derart schnell einen ihrer wichtigsten Verbündeten fallen lassen. Die Frage steht: Ist das das richtige Signal für den Nahen Osten?
Öffentlich spricht Obama zwar noch diplomatisch von einer „Phase des Übergangs“, die „jetzt“ beginnen muss. Doch im privaten Gespräch mit Mubarak, betonen Insider in Washington, habe er deutlich gemacht, was er damit meint. Das Schlüsselwort der Obama-Botschaft sei das Wörtchen „jetzt“. Im Klartext: Die Zeit für den Mann, der am Nil seit fast 30 Jahre herrscht, ist abgelaufen.
Doch die Sorge über die Zukunft in Ägypten und im Nahen Osten sitzt tief. Vor allem die Bilder über Zusammenstöße zwischen Mubarak-Gegnern und Mubarak-Anhängern auf dem Tahrir Platz in Kairo schüren Ängste, dass die Situation ins Chaos abgleiten könnte.
„Die Zeit ist jetzt der Gegner“, meint Richard Haass, der Präsident des Council on Foreign Relations, eines Washingtoner Forschungsinstituts. „Wenn die gegenwärtige Situation anhält, wird die Armee in eine unmögliche Situation versetzt.“ Die Marschroute in Washington: Es muss gehandelt werden in Kairo, keine Zeit mehr für Tricks und Spielchen.
Doch hinter den Kulissen herrschen Unsicherheit und Ratlosigkeit. Obamas Dilemma: Einerseits will er auf der richtigen Seite der Geschichte stehen, anderseits geht es ihm um Stabilität in der Krisenregion.
Brent Scowcroft, ein ehemalige Sicherheitsberater mehrerer republikanischer Präsidenten, sieht die Obama-Strategie eher skeptisch. „Ich würde sagen: Beruhigt erst mal die Situation“, heißt sein Rat. Statt vorzupreschen müsse Obama eher bremsend und mäßigend einwirken, meint er bei einer Podiumsdiskussion.
„Wer immer der nächste Präsident sein wird, er wird unweigerlich politisch schwächer sein als Mubarak.“ Zu diesem wenig optimistischen Urteil kamen US-Diplomaten bereits 2007, wie das „Time Magazine“ unter Berufung auf Wikileaks-Enthüllungen berichtet. „Wir können davon ausgehen, dass der neue Präsident in der ersten Zeit in seinen öffentlichen Reden einen anti-amerikanisch Ton anschlägt.“
Kaum jemand ist etwa in der Lage, das tatsächliche Gewicht und die längerfristige Ausrichtung der ägyptischen Muslimbruderschaft einzuschätzen. „Ich habe keine Ahnung, was die Muslimbruderschaft denkt“, bekennt Haass in aller Freimut.
Derzeit geben sich die Muslime eher gemäßigt, meint Scowcroft. Doch auch im Iran habe es damals „einige Zeit gedauert“, bis die Islamisten ihrer wahres Gesicht zeigten, warnt er.
Weitere Sorge, so der Think-Tank-Präsident Haass: Der neue Mann in Kairo wird sicherlich „weniger geneigt sein, Israel-freundlich zu sein“. Israel konnte auf den Alten in Kairo bauen, etwa wenn es um die Isolation des Gazastreifens und der dort herrschenden radikal-islamischen Hamas ging. Kein Zufall auch, dass sich Israel und die Palästinenser mit kritischen Tönen gegenüber Mubarak bemerkenswert zurückgehalten. Auch Obama hat zunächst vorsichtig auf Zeit gespielt - jetzt hat er seine Entscheidung getroffen.