Analyse: Poroschenko will Ostukraine mit Friedensplan gewinnen

Kiew (dpa) - Nicht mit Krieg, sondern mit einem Friedensplan will Kiews feierlich ins Amt eingeführter Präsident Petro Poroschenko Ruhe in die von blutigen Kämpfen erschütterte Ostukraine bringen.

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Mit der Krawatte in den Nationalfarben Blau und Gelb beschwört der 48-Jährige bei seinem Amtsantritt im Parlament die Einheit des Landes - und betont den Kurs der Ex-Sowjetrepublik in die EU, auch gegen den Widerstand Russlands. Über den mächtigen Nachbarn im Osten - nach dem Anschluss der Schwarzmeerhalbinsel Krim international als Aggressor in der Kritik - äußert sich der Staatschef zurückhaltend.

Zwar beendet Poroschenko zunächst nicht - wie von Russland gefordert - den Militäreinsatz in der Ostukraine, er spricht sich aber für eine Waffenruhe noch in dieser Woche aus - ohne konkretes Datum. Doch verhängt Poroschenko auch nicht - wie von seinem Umfeld in Kiew empfohlen - das Kriegsrecht in den umkämpften russischsprachigen Gebieten Donezk und Lugansk.

„Ich will keinen Krieg“, sagt Poroschenko am Samstag vor Gästen aus mehr als 50 Ländern, darunter Bundespräsident Joachim Gauck. Der in seinem Land wegen seiner Süßwarengeschäfte auch „Schoko-Zar“ genannte Milliardär meidet zudem großspurige Drohungen in Richtung Moskau. Kein Wort von einem möglichen Nato-Schutz für das Land, sehr wohl aber der unbeirrte Blick nach Westen: Poroschenko will schon Anfang 2015 Visafreiheit für seine Landsleute erreichen, bald den von Russland kritisierten Assoziierungsvertrag mit der EU unterschreiben - und überhaupt so schnell wie möglich Mitglied in der Union werden.

Die Erwartungen an den Oligarchen sind hoch, dass er die Ex-Sowjetrepublik tatsächlich auf Westkurs bringt. Das zeigen auch die vielen Gespräche des Milliardärs mit Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama. Er ist der Hoffnungsträger des Westens. Und mancher spricht an diesem sommerlich heißen und sonnigen Tag des Amtsantritts, als Poroschenko auch Großvater wird, von Aufbruchstimmung.

Frieden für die Ostukraine, die geplante Rückholung der von Russland annektierten Krim, der EU-Beitritt - das sind die Eckpunkte von Poroschenkos Außenpolitik. Mehrfach erheben sich die Gäste, darunter Vertreter vieler Religionen, bei dem Festakt zu Ovationen. Selten scheinen die Abgeordneten, die nahezu vollständig im Saal sind und sonst Debatten gern auch mal mit Faustkämpfen austragen, so geeint.

Wie Poroschenko allerdings die schweren wirtschaftlichen und sozialen Probleme der vor dem Bankrott stehenden Ex-Sowjetrepublik lösen will, ist bei der mit Spannung erwarteten Antrittsrede nicht herauszuhören. Es ist vielmehr ein emotionaler Moment für die Ex-Sowjetreplik, die im größten Chaos seit ihrer Unabhängigkeit auf bessere Zeiten hofft.

Um seinen Friedensplan in der Ostukraine umzusetzen, müsse Poroschenko mit Kremlchef Wladimir Putin zusammenarbeiten, mahnt der Politologe Dmitri Trenin vom Moskauer Carnegie Center. Auch ein Streit um den Preis für russische Gaslieferungen und Milliardenschulden Kiews bei Moskau belastet die Beziehungen weiter. Putin hat ein erstes Treffen mit Poroschenko am Freitag in Frankreich hinter sich und wartet nun ab, wie Beobachter meinen.

Russland verlangt weiter ein Ende des Militäreinsatzes mit Panzerfahrzeugen und Kampfjets in der Ostukraine, damit ein Dialog zwischen der Machtzentrale in Kiew und der russisch geprägten Bevölkerung in Gang komme. Die von prorussischen Kräften geführten Parallelregierungen in den nicht anerkannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk zweifeln an Poroschenkos Friedensabsichten.

Milliardär Poroschenko sieht sich auch außerhalb der Krisengebiete im eigenen Land Vorwürfen ausgesetzt, die proeuropäische Revolution am Maidan sei inszeniert und finanziert gewesen von den Superreichen des Landes. Die Bilder von den gemeinsam feiernden Oligarchen nach der Amtseinführung in Kiew sind in sozialen Netzwerken im Internet ein Renner. Beweise gibt es aber weiterhin nicht, dass die prowestliche Revolution am Maidan auch ein Aufstand der Oligarchen gegen den korrupten und inzwischen nach Russland geflüchteten Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch war.