Analyse: Rechtsextreme bei der Bundeswehr
Berlin (dpa) - Lässt die Bundeswehr Rechtsextreme ungehindert gewähren? Im Fall von Uwe Mundlos und anderen sah das Militär großzügig über rechte Umtriebe hinweg. Ein Ex-Mitarbeiter des Bundeswehrgeheimdienstes MAD räumt ein, das Militär sei in der Frage lange nachlässig gewesen.
Als der spätere Rechtsterrorist Uwe Mundlos zum ersten Mal ins Visier der Geheimdienste geriet, war er 21 Jahre alt und Wehrdienstleistender. Seine rechte Gesinnung schadete seiner kurzen Bundeswehr-Laufbahn aber nicht. Der gebürtige Jenaer wurde weiter ausgebildet, zweimal befördert und bekam am Ende sogar ein passables Zeugnis.
Ein Einzelfall war das nicht: Das Militär ging auch mit anderen bekennenden Rechten schonend um. Beim Bundeswehrgeheimdienst MAD sorgte das für Frust. Ein leitender Ex-Mitarbeiter der Behörde klagt im NSU-Untersuchungsausschuss über frühere Fehler in den Strukturen.
Der Militärische Abschirmdienst (MAD) ist der kleinste der deutschen Geheimdienste. Eine seiner Aufgaben: Soldaten mit extremistischen Einstellungen aufspüren. Als Mundlos Mitte der 90er Jahre seinen Wehrdienst in einer Thüringer Kaserne leistete und mit NS-Devotionalien erwischt wurde, landete die Sache auch bei den MAD-Leuten. Sie befragten Mundlos - allerdings erst Monate nach dem Vorfall - und legten eine Akte zu ihm an.
Der junge Soldat machte damals keinen Hehl aus seinen kruden Überzeugungen. Das Gespräch mit den MAD-Leuten blieb trotzdem folgenlos. Ein paar Jahre später tauchte Mundlos unter und startete mit seinen Komplizen Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe eine beispiellose Mordserie in Deutschland - unter dem Namen „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU).
Auch andere aus dem Umfeld der Gruppe gaben sich schon bei der Bundeswehr mit ihrer rechten Einstellung zu erkennen. André E. tauchte bereits bei der Musterung mit unmissverständlichen Tätowierungen auf: Auf seiner Haut war „Blut und Ehre“ zu lesen - das Motto der Hitlerjugend. An anderer Stelle auf seinem Körper: eine Reichskriegsflagge mit den Initialen A.H., für Adolf Hitler. Seinen Wehrdienst durfte er trotzdem antreten.
Im August 2000 nahmen sich MAD-Leute André E. vor. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe waren da schon untergetaucht - und André E. war einer ihrer wichtigsten Vertrauten. In seinem Gespräch mit dem MAD tat er seine Verehrung für die SS kund. Die Geheimdienstler notierten später, der Mann habe einen halbwegs intelligenten Eindruck gemacht und sei bei der Vernehmung freundlich gewesen. Danach brachte André E. seinen Wehrdienst planmäßig zu Ende, bis Dezember 2000.
Dieter Huth leitete früher die Abteilung Rechtsextremismus beim MAD. Nun sitzt er im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages und soll Fehltritte wie diese erklären. Zu dem Fall von André E. bemerkt er kleinlaut: „Das ist schon ein bisschen fragwürdig.“
Er sei sicher, dass die Kollegen den jungen Mann damals als Rechtsextremisten eingestuft und die zuständigen Stellen informiert hätten. „Ist das alles?“, fragt der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland. Der Fall sei schließlich „Hardcore“. Nun ja, sagt Huth, mehr könne der MAD nun mal nicht machen. Die Behörde entlasse keine Soldaten und stelle keine ein.
Als Wieland weiter nachbohrt, lässt der Ex-MAD-Mann seinem Frust schließlich freien Lauf. „Ich könnte Ihnen jetzt sagen, wie häufig ich mich selbst geärgert habe.“ Dass die Überprüfungen durch seine Leute oft keine Konsequenzen hatten und rechtsextreme Wehrpflichtige nicht aus der Truppe flogen, ging Huth gegen den Strich. Mitunter sei es sogar schwierig gewesen, die Vorgesetzten davon zu überzeugen, dass so jemand nicht Zeitsoldat werden darf. Schließlich hätten sich Rechte oft als „gute Soldaten“ hervorgetan.
„Ich will hier nichts entschuldigen und beschönigen“, sagt Huth. Bis Ende der 90er Jahre habe die Bundeswehr rechtsextreme Wehrpflichtige fast nie vorzeitig entlassen. Dann sei ein Erlass gekommen, wonach das Militär solche Wehrpflichtigen nicht mehr als Zeitsoldaten übernehmen durfte. Bei gewalttätigen Wehrdienstlern wurde damit auch der Rauswurf möglich. Inzwischen sei alles viel besser, versichert Huth.
Doch an anderer Stelle sind ebenfalls Fehler passiert. Der MAD hatte tiefe Einblicke in die rechte Szene, bei den Geheimdienstlern landeten auch mehrere Hinweise auf das Terrortrio - ebenfalls ohne Folgen. Die Behörde habe ihre Informationen immer an den Verfassungsschutz weitergeleitet, sagt Huth. Was damit passiert sei, habe der MAD nicht überprüfen können. An Details oder gar Namen könne er sich aber nicht erinnern, versichert er und schiebt nach: „Das Trio war für uns nicht auf dem Schirm. Es gehörte nicht zu unserer Zuständigkeit.“