Analyse: Rösler legt Fundament für Comeback

Berlin (dpa) - Philipp Rösler spricht über seine „doofen Abende“. Davon habe es in den zwei Jahren, die er nun bald FDP-Chef ist, doch manche gegeben.

Und noch etwas, was für einen Vizekanzler nicht eben selbstverständlich ist, gibt Rösler zu: Er habe „manchmal auch eigene Fehler“ gemacht. „Und ich hoffe, dass ich daraus gelernt habe.“ All das erzählt der gerade 40 Jahre alt gewordene Wirtschaftsminister am Samstag im Berliner Hotel „Estrel“ nicht etwa in kleiner Runde, sondern vor mehr als 600 Parteitags-Delegierten.

Trotzdem: Das ist kein leeres Gerede. Rösler ist ein anderer geworden. Das Selbstbewusstsein ist zurück. Kein Wunder, nach 9,9 Prozent bei der Landtagswahl zu Hause in Niedersachsen und dem gewonnenen Machtkampf gegen Rainer Brüderle. Anfangs ist er noch nervös, macht zu lange Pausen zwischen den Sätzen. Dann kommt er in Fahrt. Vielleicht ist dies sogar Röslers beste Rede als Bundesvorsitzender.

Bisher galt sein Debüt im Mai 2011 in Rostock als stärkster Auftritt. Damals skizzierte er einen „mitfühlenden Liberalismus“, begeisterte die Partei nach all den Westerwelle-Jahren mit einem neuen Sound. Doch jener Freitag, der 13. wurde kein Fundament für Röslers Vorsitz: „Ich gebe es zu: Es hat nicht jeden Tag Glück gebracht.“

Rösler galt monatelang als größtes Problem der FDP. Kaum Führung, miese Umfragen, ermüdende Reden wie noch im Januar beim Dreikönig-Treffen in Stuttgart. Damals schien sein Sturz unausweichlich. Viele hatten den Eindruck, dass er sich damit auch schon abgefunden hatte. In Niedersachsen schaffte der Wirtschaftsminister dann den persönlichen Turn-Around.

Die einstündige Rede in Berlin ist nicht brillant, aber stimmig. Sie passt zu ihm. Die Angriffe gegen rot-grüne Steuererhöhungen und das Bekenntnis zu Wirtschaft, soliden Haushalten und stabilem Euro sind nichts Besonderes. In der Gesellschaftspolitik aber bezieht Rösler zur Freude der Delegierten Position. Das Zaudern der CDU bei der Homosexuellen-Ehe ist für die FDP eine Steilvorlage.

Herkunft und Aussehen müssten in Deutschland egal sein, sagt Rösler, der vom Waisenkind aus Vietnam zum Vizekanzler aufstieg. Und es sei egal, wie die Bürger leben und lieben wollten. „Hauptsache, sie lieben überhaupt jemanden.“

Rösler blendet nicht aus, dass die FDP an anderer Stelle dem Zeitgeist selbst hinterherläuft. Frauen sind bei den Liberalen rar. Die Partei müsse für Chancen von Frauen in der Gesellschaft mehr tun. Beim Mindestlohn ist der Wille zur Öffnung auch nicht überwältigend. Mehr Lohnuntergrenzen in ein paar Branchen und Regionen - ja; ein gesetzlicher Mindestlohn aber auf keinen Fall.

Rösler vergisst auch nicht, wohldosiert die FDP-Spitzenleute auf dem Podium zu würdigen. Hier sitzen einige, die den Vorsitzenden gerne abgesägt hätten. Er macht das deutlich souveräner als an Dreikönig. Über sein Verhältnis zu Brüderle behauptet Rösler, man habe sich oft „hervorragend“ beraten. Hinter den Kulissen, so ist zu hören, läuft die erzwungene Zusammenarbeit aber eher holprig an. Am Sonntag wird der Fraktionschef offiziell zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im September gekürt.

Rösler bekommt vier Minuten Applaus, dann wird gewählt. Rösler hat sich zu seinen Freunden aus Niedersachsen gesetzt, wartet auf das Ergebnis. Es sind 85,7 Prozent. Angesichts des erbitterten Machtkampfes ein gutes Resultat. Dass Rösler an die 95,1 Prozent von 2011 nicht herankommt, war schon vorher klar. Er atmet durch, lacht, umarmt seinen Freund Patrick Döring.

Abgerundet wird Röslers Erfolg durch den kleinen Dämpfer, den sein Rivale Christian Lindner bei der Wahl der Stellvertreter bekommt. Für den NRW-Landeschef stimmen nur 77,8 Prozent. Das Signal von Berlin ist klar: Die Partei will sechs Monate vor der Bundestagswahl einfach Ruhe - und gibt Rösler eine zweite Chance.