Analyse Niedersachsen-Wahl: Hoffnungsschimmer für die SPD?
Hannover (dpa) - Am Ende ging es ums Tanzen. Nach öffentlichen Terminen tanze er zuhause mit seiner Ehefrau Iris auch mal durchs Wohnzimmer, verriet der niedersächsische CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann der „Bunten“ wenige Tage vor der Landtagswahl.
Tanzen sei nicht so sein Ding, bekannte daraufhin Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im NDR-Radio. Dafür höre er gerne laut Bruce Springsteen - besonders beim Hemdenbügeln.
Diese Äußerungen sind typisch für die beiden Kontrahenten, die sich bei der Landtagswahl am Sonntag ein enges Rennen liefern werden. Während der 50-jährige Herausforderer Althusmann etwas angestrengt versucht, mit dem „Bunten“-Interview seinem hölzernen Image ein paar Farbtupfer zu verleihen, bleibt der acht Jahre ältere Amtsinhaber Weil einfach er selbst: ein Verwaltungsmensch, der seine Arbeit ordentlich macht - und eben auch mal Hemden bügelt.
Nur drei Wochen liegen zwischen der Bundestagswahl und der Landtagswahl in Niedersachsen. Zumindest in den Umfragen ist Weil etwas gelungen, wovon andere SPD-Politiker nur träumen können. Er hat den Rückstand zur CDU aufgeholt - und nicht nur das. Laut der am Donnerstag im „heute journal“ veröffentlichten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen liegt die SPD derzeit bei 34,5 Prozent. Die CDU kommt auf 33 Prozent. Im August führte die CDU noch bei 40 Prozent, die SPD lag mit 32 Prozent zurück.
Für den Absturz der CDU dürften die Verluste der Union bei der Bundestagswahl eine Rolle spielen. Aber auch ein inhaltsleerer Wahlkampf, der sich immer mehr auf die Personen zuspitzte. Hier hat Althusmann die schlechteren Karten: Kurz vor der Wahl halten 49 Prozent Weil für den besseren Ministerpräsidenten, nur 31 Prozent hätten lieber Althusmann. Dessen Wahlkampagne kam nicht richtig in Schwung - und obwohl er Weil im TV-Duell streckenweise hart anging, konnte er auch damit nichts reißen.
In einem bislang miserablen Wahljahr für die SPD ist Weil nun im Aufwind. Dabei kommt ihm zugute, dass der Bundestrend gegen die SPD nachgelassen hat. Der negative Schulz-Faktor ist weg. Manch ein SPD-Wähler in Niedersachsen wird die Entscheidung der Partei, nach der Bundestagswahl in die Opposition zu gehen, begrüßen.
Ein weiterer Grund aber könnte ausgerechnet die Volte in der niedersächsischen Politik sein, die dem Land die vorgezogene Neuwahl beschert hat. Im August lief eine Landtagsabgeordnete der Grünen zur CDU über - das war das Ende von Weils rot-grüner Regierungskoalition.
In der CDU mag man stillschweigend darüber triumphiert haben. Doch viele Wähler in Niedersachsen haben den Eindruck, hier sei unfair agiert worden. Dieser Fehler hänge Althusmann nun „wie ein Mühlstein“ um den Hals, musste sich der CDU-Politiker von Weil im TV-Duell anhören.
Für Weils Ziel, das rot-grüne Regierungsbündnis fortzusetzen, wird es rechnerisch nicht reichen. Ebenso wenig aber für Schwarz-Gelb. Weil hält eine große Koalition für „extrem unwahrscheinlich“ und verweist auf das belastete Verhältnis zwischen CDU und SPD. Rechnerisch bleibt ihm die Alternative einer Ampel-Koalition mit den Grünen und der FDP, die laut ZDF-Umfrage je auf 9 Prozent kommen.
Diese Variante wird von vielen in der Niedersachsen-SPD favorisiert. Sie hoffen, dass FDP-Chef Stefan Birkner seine ablehnende Haltung dazu noch revidiert. Schafft es die Linke (5 Prozent) in den Landtag, wäre Rot-Rot-Grün eine weitere Option, mit der sich Weil an der Macht halten könnte.
Sollte Althusmann doch gewinnen, stände er vor zwei schwierigen Optionen: entweder eine große Koalition mit der SPD oder ein Jamaika-Bündnis mit FDP und Grünen. Offiziell wollen zwar weder die Grünen noch Althusmann so eine Lösung aussschließen. Doch klafft ein ideologischer Graben zwischen beiden Seiten. In der niedersächsischen CDU wird schon über eine künftige Rolle Althusmanns als Fraktionschef nachgedacht - von zu großer Siegesgewissheit zeugt das nicht.
Die AfD hat in Niedersachsen vergleichsweise wenig Gewicht. Querelen im Landesverband und Treue der niedersächsischen Wähler zu CDU und SPD nennen Politologen als Ursachen. Die neueste Umfrage zur Landtagswahl sieht sie bei 7 Prozent.