Analyse: Schlecker will sich gesundschrumpfen
Frankfurt/Main/Ehingen (dpa) - Die Botschaft des Insolvenzexperten übertraf die schlimmsten Befürchtungen der Schlecker-Beschäftigen. „Die Situation ist so dramatisch, dass das Unternehmen nicht nachhaltig am Markt bestehen kann“, sagt der vorläufige Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz.
Was nun kommt, sei ein „herber, schmerzhafter Schnitt“. Für viele Schlecker-Frauen beginnt nun das Bangen. Fast 12 000 von ihnen müssen gehen, sagt Geiwitz. Auch beim Filialnetz gibt es einen Kahlschlag sondergleichen. „Es wird zu mehr Filialschließungen kommen, als ich mir persönlich das erhofft hatte“, sagt der Verwalter. Nur noch 3000 von einstmals 6000 Schlecker-Geschäften solle es künftig in Deutschland geben. Für Geiwitz eine „Mindestzahl“.
Nur so könne er im April ohne Verluste in die dann eröffnete Insolvenz gehen. „Wenn ich Verluste ins Blaue hinein erwirtschafte, habe ich ein Problem“, sagt Geiwitz. Er sei auch insolvenzrechtlich zu dem Einschnitt gezwungen. In den vergangenen Jahren und bis in jüngster Zeit seien dreistellige Millionenverluste zusammengekommen. Das Sortiment müsse sich verändern - und die Preise wettbewerbsfähig sein. Gerade erst hatte eine Studie ergeben, dass Schlecker deutlich teurer als dm oder Rossmann ist.
Klar wird am Mittwoch auch, dass die Tage des Familienmanagements bei der früheren Nummer eins auf dem deutschen Drogeriemarkt gezählt sind. Welche Rolle die Kinder von Unternehmensgründer Anton Schlecker, Meike und Lars, künftig spielen werden, ist völlig offen. Geiwitz macht klar, dass er zuallererst die Interessen der Gläubiger vertrete. Auch wenn sich die Familie in den vergangenen Wochen sehr engagiert habe, werde er bei der Sanierung „den Hut auf“ haben. Dazu gehört, dass er auf einen Investor setzt, der sich mehrheitlich oder als Minderheitseigner an Schlecker beteiligen könnte.
Anders als bei zwei Pressekonferenzen am Stammsitz Ehingen bei Ulm sowie in Wien ist bei der Verkündung der Pläne in Frankfurt kein Familienmitglied zugegen. Das bedeute keineswegs, dass die Schleckers die Sanierung nicht mittrügen, sagt der Insolvenzverwalter. „Ich habe mit Anton Schlecker gesprochen“, sagt er. „Und mir ist auch von ihm gesagt worden: er hat unternehmerische Fehler gemacht.“ Geiwitz folgert: „Wir brauchen einen kompromisslosen Strukturwandel bei Schlecker.“
Bevor der Insolvenzverwalter die schlechten Nachrichten verkünden muss, hat er am Morgen mit der Verdi-Tarifkommission für den Konzern gesprochen. Schlecker-Gesamtbetriebsratschefin Christel Hoffmann bleibt nur zu sagen, dass „jede einzelne Schlecker-Frau ein Recht auf eine Zukunftsperspektive“ habe. Der Betriebsrat und Verdi wollen nun für einen ausgeglichenen Sozialplan kämpfen.
Das Schlecker-Management versuche, jeden Einzelfall zu bewerten, sagt der operative Vorstand Thorben Rusch. „Dass eine Filiale geschlossen wird, heißt nicht automatisch, dass alle Mitarbeiterinnen dort ihren Job verlieren.“ Details, wo und wann wie viele Stellen wegfallen, will die Drogeriekette jedoch nicht bekanntgeben.
Ob der Sanierungsplan so durchgesetzt werden kann, hängt auch von den Gläubigern des Konzerns ab. Das sind weniger Banken als vielmehr die Lieferanten, Vermieter oder die Mitarbeiter selbst. Trotz all der Hiobsbotschaften sagt Geiwitz: „Schlecker bleibt mehr denn je der Nahversorger.“ Er wolle mit aller Kraft versuchen, diese Funktion aufrechtzuerhalten. „Wir haben dann immer noch mehr als 3000 Filialen und mehr als die größten Wettbewerber zusammen.“ Allerdings ist Schleckers Vorsprung vor dm und Rossmann äußerst gering.
Einer der wenigen Lichtblicke ist aus Geiwitz' Sicht, dass für das Schlecker-Auslandsgeschäft weiterhin nicht Insolvenz angemeldet werde. Allerdings schließt er auch nicht aus, dass Teile davon vielleicht verkauft werden könnten - er hält sich alle Optionen offen. Zur Zukunft der Tochter IhrPlatz werde sich in wenigen Tagen Werner Schneider melden, erklärt Geiwitz - sein Kanzleipartner. Ob dann die nächsten Einschnitte verkündet werden?