Analyse: Seehofers Genugtuung - und kein Wort gegen Merkel

München (dpa) - Horst Seehofer kann seine Genugtuung nicht verbergen. Endlich, das ist sein Signal am Sonntagabend in der bayerischen Staatskanzlei, endlich tut der Bund etwas gegen die dramatische Situation, in der sich München seit einer Woche befindet.

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Mehr als 60 000 Flüchtlinge sind hier binnen weniger Tage angekommen. Am Wochenende wäre das System trotzt aller Bemühungen fast kollabiert.

„Ich sehe keine Möglichkeit, den Stöpsel wieder auf die Flasche zu kriegen“ - mit diesen drastischen Worten hatte Seehofer im „Spiegel“ Angela Merkel (CDU) kritisiert. Die Kanzlerin hatte die Entscheidung getroffen, dass die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge nach Deutschland einreisen dürfen.

Für wie falsch er dies hält, daraus macht der CSU-Chef keinen Hehl: Er legt ausdrücklich Wert darauf, dass er an dieser Entscheidung in keiner Weise beteiligt gewesen sei.

Zu dem Streit mit Merkel will Seehofer nach der Sondersitzung seines Kabinetts am Sonntagabend nichts sagen. Kein schlechtes Wort über Merkel persönlich kommt ihm über die Lippen. Demonstrativ staatsmännisch sagt er, er sei „im Interesse unseres Landes und der Bevölkerung“ daran interessiert, eine Lösung zu finden. Das Siegesgeheul überlässt er CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer: „Die Stimme der Vernunft in der Flüchtlingspolitik heißt CSU“, lässt Scheuer mitteilen; endlich würden auch andere vernünftig.

Seehofer selbst betont mehrfach, dass die Wiedereinführung der deutschen Grenzkontrollen und der vorübergehende Stopp des Zugverkehrs eine bayerische Initiative gewesen seien. Am Samstag um 13.26 Uhr habe er sich - nach einem Hilferuf seines Innenministers Joachim Herrmann - diesbezüglich an Merkel gewandt, um 17.30 Uhr habe es dann die entscheidende Telefonschalte mit den wichtigen Beschlüssen gegeben. Da seien sich die Koalitionsspitzen dann sehr schnell einig gewesen, ohne große Diskussion. „Das war eher eine gegenseitige Bestätigung, dass das jetzt so sein muss“, erzählt Seehofer.

Doch die Wiedereinführung der Grenzkontrollen reicht Seehofer nicht aus. Er fordert weitere wichtige Beschlüsse in der Flüchtlingspolitik spätestens im Oktober: zum Beispiel doppelt so viel Geld des Bundes für Länder und Kommunen wie noch am vergangenen Sonntag vereinbart. Und ganz akut will Bayern den Bund in die Pflicht nehmen, dass dieser die Verteilung der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge übernimmt.

Schon an diesem Montag wird sich auch der CSU-Vorstand vorrangig mit der Flüchtlingspolitik befassen. Und es dürfte am Sonntag vermutlich nicht die letzte Sondersitzung des Kabinetts dazu gewesen sein.