Analyse: Showdown in Rom - Für Berlusconi wird es eng
Rom (dpa) - Die politische Gerüchteküche am Tiber brodelt. Immer deutlicher zeichnet sich das mögliche Ende der konservativen Regierung von Silvio Berlusconi ab. Seit Tagen schlagen sich Parlamentarier seiner Partei - teils laut Medienberichten, teils offiziell - auf die Seite von Oppositionsparteien.
Berlusconi selbst dementierte am Montag vehement Gerüchte über seinen Rücktritt. Doch es scheint mehr als fraglich, ob er bei der Abstimmung am Dienstag eine Mehrheit bekommt. Das zweite Votum über den Rechenschaftsbericht der Regierung 2010 könnte zum politischen Showdown in Rom werden.
Der Report gilt als Abbild der geleisteten Regierungsarbeit, seine Absegnung als Formsache. Bei einer ersten Abstimmung kassierte Berlusconi bereits eine herbe Niederlage. Andere Amtsvorgänger - wie etwa der vielfache Ministerpräsident Giulio Andreotti - traten in ähnlichen Situationen unverzüglich zurück. Die Opposition hätte dies auch Berlusconi empfohlen.
Mitte Oktober war Berlusconi dem lautstark geforderten Abtritt mit einer knapp gewonnenen Vertrauensabstimmung entgangen. Jetzt gilt sein Rücktritt als logische Folge, sollte er erneut scheitern. Als wahrscheinlichste Übergangslösung wird immer häufiger eine breit angelegte Übergangsregierung gehandelt.
Nicht nur Staatspräsident Giorgio Napolitano erwärmt sich zusehends für ein solches „Governo Tecnico“, um die von Europa geforderten Reformen so schnell wie möglich durchzusetzen und das Land aus der Schusslinie der Finanzmärkte zu bringen. Auch in Berlusconis eigener Regierungspartei PdL (Volk der Freiheit) hat sich die Stimmung dahingehend geändert. Als mögliche Kandidaten für den Sitz des Übergangspremier werden der ehemalige EU-Kommissar Mario Monti, aber auch Berlusconis Vertrauter Gianni Letta gehandelt.
„Die Regierungsmehrheit besteht nicht mehr. Es hat keinen Sinn sich festzubeißen“, stimmte auch Innenminister Roberto Maroni von der populistischen Lega Nord am Wochenende in Rücktrittsgesang der Opposition ein. Eine Übergangsregierung lehnt Berlusconis Koalitionspartner aus dem Norden allerdings strikt ab. Auch der Cavaliere selbst hatte bisher einen Rücktritt und die Bildung einer Übergangsregierung abgelehnt - nach dem Motto: „Entweder ich oder Neuwahlen“.
Ein kostspieliger und zeitaufwändiger Urnengang wäre allerdings das Letzte, was das EU-Sorgenkind Italien jetzt gebrauchen könnte. Nachdem es Berlusconi in der vergangenen Woche nicht gelungen war, Konkretes zum G20-Gipfel nach Cannes zu bringen, musste Italien eine Finanzkontrolle durch den Internationalen Währungsfonds akzeptieren. „Wir sind das erste Land, dass sich in einer derartigen Situation befindet, ohne jemals auch nur einen Euro Hilfe aus dem Fonds empfangen zu haben“, wertete der angesehene Wirtschaftsfachmann Tito Boeri die Maßnahme als Zeichen einer verheerenden Glaubwürdigkeitskrise.
Trotz der Verabschiedung von zwei drastischen Sparpakten und allen Versprechungen gegenüber Brüssel gelang es bislang nicht, die Märkte zu beruhigen. Erneut sprachen diese Italien am Montag ihr Misstrauen aus. Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen stieg auf einen neuen Rekordwert von 6,638 Prozent. Die schweren Unwetter der vergangenen Tage werden so zunehmend zu einem düsteren Sinnbild: Italien steht das Wasser bis zum Hals.