Analyse: SPD hadert nach schlechten Erfahrungen mit Schwarz-Rot
Stuttgart/Düsseldorf (dpa) - Wenn die SPD an diesem Freitag in Berlin um eine Haltung zum Thema große Koalition ringt, gehören zwei Landesverbände auf jeden Fall zu den Skeptikern: Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.
Beide halten nichts von einem Bündnis mit der Union in Berlin.
Teils spielen schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit eine Rolle, teils auch landespolitische Erwägungen. Ein Blick in beide Länder.
NRW:
Nordrhein-Westfalens Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) hatte bereits Wochen vor der Bundestagswahl ihre Vorbehalte angemeldet. „Die SPD hat mit der großen Koalition Erfahrungen gemacht, die tief in unser Gedächtnis eingebrannt sind“, sagte sie im „Spiegel-Online“-Interview. „Es waren keine positiven Erfahrungen.“
Wie unbeliebt eine große Koalition bei den Genossen an Rhein und Ruhr ist, hatte Kraft selbst im Frühsommer 2010 erfahren, als sie in NRW mit dem abgewählten CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers über eine gemeinsame Regierung verhandelte. Kraft ging damals lieber das Risiko einer Minderheitsregierung ein, die bei vielen wichtigen Entscheidungen auf Unterstützung der Linkspartei angewiesen war.
Die SPD sei nicht dafür angetreten, „als Mehrheitsbeschafferin die CDU an der Regierung zu halten“, setze sie sich am Tag nach der Bundestagswahl an die Spitze der Kritiker einer großen Koalition. Die Düsseldorfer Regierungschefin gab den Anti-Müntefering. „Opposition ist Mist“, hatte der frühere SPD-Chef bekannt. Für die SPD sei Opposition „keine Schande“ setzte Kraft dem entgegen.
Eine strikte „Frau No“ ist Kraft beim Thema große Koalition aber nicht. Vom SPD-Landesvorstand ließ sie sich grünes Licht zumindest für Gespräche mit der Union geben. Messlatte müsse aber insbesondere „eine gerechte und auskömmliche Steuer- Finanz- und Haushaltspolitik“ sein. Kraft braucht nämlich dringend Geld - für die notleidenden Kommunen und das rot-grüne Projekt „vorbeugende Sozialpolitik“. Und das kann nur aus Berlin kommen. Sonst müsste Kraft im Haushalt noch stärker kürzen. Bei den Beamten hat sie das bereits getan und einen Sturm der Empörung ausgelöst. Eine große Koalition, die Geld in die Landeskasse spült, könnte da das kleinere Übel sein.
BADEN-WÜRTTEMBERG:
Auf Geld aus Berlin setzt unverändert auch Baden-Württembergs SPD-Landeschef Nils Schmid, der zugleich Finanzminister ist. Er muss den Landeshaushalt sanieren und pocht auf mehr Geld vom Bund, um auch grün-rote Versprechen wie den Ausbau von Ganztagsschulen stemmen zu können. „Mehreinnahmen müssen sein“, sagt deshalb Schmids Kollege, Bundesratsminister Peter Friedrich.
Dieser formuliert eine ganze Reihe weiterer Bedingungen, unter denen die Südwest-SPD doch eine große Koalition mittragen könnte. Wegen der großen Vorbehalte der SPD-Basis ist für die Parteispitze aber klar: Eine Entscheidung über eine Koalition kann es nur mit vorheriger Mitgliederbefragung geben.
Denn ein weiteres Absinken in der Wählergunst kann sich die Südwest-SPD nicht leisten. Seit 2011 ist sie Juniorpartner einer grün-roten Landesregierung und steht als solcher im Schatten des populären, grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Die Regierungszeit mit schwierigen Ressorts wie dem Kultusministerium und dem Finanzministerium ist der Partei bislang nicht gut bekommen. Bei der Bundestagswahl lag das Ergebnis mit 20,6 Prozent nur knapp über dem historischen Tief von 19,3 Prozent (2009). Der Südwesten gilt ohnehin als schwieriges Pflaster für die SPD, da dort die klassischen, städtischen Arbeitermilieus überwiegend fehlen.
Im kommenden Frühjahr stehen Kommunal- und Europawahlen an - 2016 folgt dann die Landtagswahl, bei der SPD-Chef Nils Schmid die Grünen überholen und Kretschmann den Ministerpräsidentenposten abluchsen will. In der Rolle des zweifachen Juniorpartners - in Berlin und in Stuttgart - könnte die SPD zerrieben werden, lautet die Befürchtung. Die Südwest-SPD könnte dann noch mehr an Profil verlieren und die Quittung 2016 erhalten. Denn Parteien, die im Bund mitregieren, können bei Landtagswahlen selten mit Stimmenzuwächsen rechnen.