Analyse: Stürzt Strauss-Kahn den IWF in die Krise?

Washington (dpa) - Er gilt als agile Wohltat nach seinem drögen Vorgänger. Dominique Strauss-Kahns Statements als Chef des Internationalen Währungsfonds sind präzise, oft provokant. Er hauchte der Institution neues Leben ein.

Steht jetzt alles auf dem Spiel?

Eigentlich ist der Internationale Währungsfonds kein Ort für Skandale: Die unendlichen Korridore des alten Hauptquartiers in Washington sind im Beige der 70er Jahre gehalten, getaucht in kaltes Neonlicht. Fast erwartet man, dass noch Lochkarten und Telex-Streifen herumliegen. Es ist noch gar nicht lange her, da stellte man sich in der US-Hauptstadt die Existenzfrage: Wofür noch eine Institution, die Ländern in Finanznöten hilft, wenn die Weltwirtschaft auf allen Zylindern läuft und es allen besser geht?

Dann kam die Wirtschafts- und Finanzkrise - und Dominique Strauss-Kahn. War der farblose Spanier Rodrigo de Rato Sinnbild der früheren Ära des IWF, wurde „DSK“, wie alle den neuen Chef nannten, zum Zeichen des Aufbruchs. Selbst wer politisch nicht auf der Linie des französischen Sozialisten liegt, ist voll des Respekts: Worte wie „Charisma“, „Entschlossenheit“, „Reformeifer“, „Integrität“ fallen, wenn man sich mit hohen IWF-Mitarbeitern unterhält.

Pressekonferenzen mit Strauss-Kahn sind nie langweilig, seine Botschaften weiß er zu vermarkten. Die totgesagte Institution hat hier jemanden als Chef, der es ernst meint mit der Umgestaltung, weg vom Image des IWF als eines brutalen Abstrafers, hin zum strengen Partner, mit dem man reden kann. Niemand hatte Zweifel: Dominique Strauss-Kahn, nonchalant, souverän, bestimmend, hat noch viel vor.

Schwellenländer sollen mehr Gewicht erhalten, Krisenstaaten bekommen vorsorgliche Kreditlinien - mehr Flexibilität, größerer Reichweite strebt Strauss-Kahn an. Erfolge brachten ihm Respekt. Die Frage ist nun: Welchen Schaden erleidet der IWF?

Soweit gibt sich der Fonds wortkarg, will sich anscheinend nicht gemein machen mit seinem Chef. Der IWF bleibe vollständig funktionsfähig, lautete die dürre Botschaft aus Washington.

Nicht, dass Skandale oder Skandälchen dem gut aussendenden möglichen Kandidaten für die französische Präsidentschaft fern gewesen wären. Erst im Oktober 2008 musste der IWF seinen Chef vom Verdacht des Amtsmissbrauchs wegen einer Affäre mit einer früheren Mitarbeiterin freisprechen. Der frühere französische Finanzminister habe einen „ernsthaften Fehler hinsichtlich seines Urteilsvermögens“ begangen, hieß es seinerzeit. Der Vorfall sei „bedauerlich“.

Und nicht wenige spekulierten: Welch bessere Startrampe könnte es geben für den polyglotten Franzosen, der mit seinem Charme regelmäßig auch trockene Finanzjournalisten für sich einnahm? Fragen nach etwaigen Präsidentschaftsambitionen bügelte er zuletzt streng ab - wie bei einer Pressekonferenz während der IWF- und Weltbank-Tagung im April, als er einem Reporter beschied: „Das ist nicht relevant“.