Hintergrund: Weg zum Prozess ist noch weit
Washington (dpa) - Die gerichtlichen Verfahrensweisen weichen in den einzelnen US-Bundesstaaten voneinander ab. Aber voraussichtlich geht es im Fall des eines Sexualverbrechens beschuldigten Dominique Strauss-Kahn so weiter:
Der IWF-Chef war am Sonntag zunächst „vorangeklagt“, das heißt, ihm wurde eine Tat vorgeworfen, und unter diesem Vorwurf („charge“) konnte er zunächst festgehalten werden. Noch im Laufe des Tages sollte er erstmals einem Richter vorgeführt werden und dabei die offizielle Anklage hören. Diese Prozedur der Anklageeröffnung oder Anklageverlesung (arraignment) ist meistens sehr kurz, manchmal dauert sie nur wenige Minuten.
Der Angeklagte bekennt sich schuldig oder nicht schuldig im Sinne der Anklage oder lässt seinen Anwalt eine entsprechende Erklärung abgeben. Anschließend - in derselben Prozedur - geht es in der Regel darum, ob der Beschuldigte gegen Kaution freigelassen wird. Dabei spielt die Schwere der Vorwürfe eine Rolle und ob ein Fluchtrisiko besteht - etwa, weil der Angeklagte über genügend finanzielle und andere Mittel verfügt, um sich ins Ausland abzusetzen. Berücksichtigt wird auch, ob der Angeklagte so prominent ist, dass es schwer für ihn wäre unterzutauchen. Wird eine Kaution festgesetzt, muss der Angeklagte aller Wahrscheinlichkeit seinen Reisepass abgeben, sofern dies nicht schon bei der Festnahme geschehen ist.
Nach der Anklageeröffnung gehen die polizeilichen Ermittlungen noch weiter, das heißt, die Anklage könnte sich im Laufe der Zeit noch verändern. Punkte könnten hinzukommen oder gestrichen werden, und es ist auch möglich, dass die Anklage ganz fallengelassen wird, weil sich die Vorwürfe bei weiterer Nachprüfung als haltlos herausstellen. Oft stellt die Verteidigung auch in dieser Phase offiziell einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens, der zuständige Richter entscheidet dann, ob die Beweise für einen Prozess ausreichen. Derartige Anträge sind oft nur ein taktisches Manöver: Der Verteidigung ist natürlich daran gelegen, möglichst häufig ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, dass der Angeklagte sich unschuldig erklärt hat.
Meistens finden mehrere Anhörungen statt, bevor dann offiziell mit der Geschworenenauswahl der Prozess beginnt. Wenn es denn wirklich zu einem solchen Verfahren mit Plädoyers und Zeugenaussagen kommt. Denn oft verständigen sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung vor Prozesseröffnung auf einen „Deal“. Der Angeklagte bekennt sich schuldig, zumeist sind zuvor in Absprache die Anklagepunkte abgeschwächt worden. Im Gegenzug für das Schuldbekenntnis erhält der Beschuldigte eine geringere Strafe, als sie ihm im Fall eines Schuldspruchs in einem Prozess gedroht hätte. Der zuständige Richter muss die Vereinbarung absegnen.
Meistens kommt es zu einem solchen Handel, wenn die Verteidigung einsieht, dass die Chancen für einen Freispruch gering sind. Ein weiterer Vorteil: Dem Angeklagten bleibt das Waschen schmutziger Wäsche im Zuge eines Prozesses erspart. Die Ankläger wiederum lassen sich meistens gern auf eine solche Übereinkunft ein, weil Prozesse den Staat viel Geld kosten.