Analyse: Terror macht „Jyllands-Posten“ betroffen
Kopenhagen (dpa) - Am Kopenhagener Rathausplatz sieht an diesem verregneten Donnerstag fast alles aus wie immer. Wären da nicht die Sicherheitsleute in dunklen Uniformen, die vor dem „Politikens Hus“ auf- und ablaufen - dem Verlagsgebäude, in dem auch die „Jyllands-Posten“ sitzt.
Jene Zeitung, die mit dem Abdruck von Mohammed-Karikaturen 2005 eine Protestwelle in der islamischen Welt mit über 150 Toten auslöste. Und seitdem genau solchen Terror fürchtet, wie er das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ heimgesucht hat.
Die Titelseite der „Jyllands-Posten“ ist am Donnerstag tiefschwarz, das Deckblatt der „Politiken“ zeigt fast nichts außer einem zerbrochenen Bleistift. „Der größte Respekt, den wir „Charlie Hebdo“ heute zeigen können, ist uns nicht einschüchtern zu lassen. Heute zu sagen, was wir auch gestern gesagt hätten“, steht am Rand daneben.
Bei der „Jyllands-Posten“ sei die Furcht trotzdem zu spüren, meint der Chef der Schriftstellerorganisation PEN in Dänemark, Anders Jerichow. Im Gegensatz zu anderen Zeitungen druckt das konservative Blatt am Donnerstag keine „Charlie Hebdo“-Karikaturen ab. „Das ist eine Form von Selbstzensur“, sagt Jerichow der Nachrichtenagentur Ritzau. „Es ist total verständlich, dass sie das machen. Aber ich finde es gruselig, dass sie das Gefühl haben, dass es nötig ist.“
Der Anschlag in Paris geht den Dänen unter die Haut. Die Polizei in Kopenhagen und am Hauptsitz der „Jyllands-Posten“ in Aarhus hat ihre Alarmbereitschaft erhöht. Das Sicherheitsniveau rund um die Redaktionen wurde noch einmal verschärft, die Mitarbeiter werden in Mails auf dem Laufenden gehalten. Kommentieren will der Sicherheitschef des Verlagshauses die Vorsichtsmaßnahmen aber nicht.
Eine Reporterin des „Ekstrabladet“ betritt das alte Gebäude am Rathaus durch eine Drehtür. Direkt dahinter befindet sich eine Sicherheitsschleuse, durch die die Mitarbeiter nur einzeln kommen. Hinter der Schleuse fühle sie sich auch nach der Attacke vom Mittwoch sicher, sagt die junge Blondine. „Die passen hier gut auf uns auf.“
Früher konnte jeder von der Straße zu den Reportern hineinspazieren. „Das war ein Grundsatz: Es sollte für Jedermann möglich sein, sich an die Redaktionen zu wenden“, erzählt Henrik Kaufholz, Journalist in der Auslandsredaktion der „Politiken“. Doch nachdem die „Jyllands-Posten“ die Karikaturen des dänischen Zeichners Kurt Westergaard abgedruckt hatte, war es damit vorbei. Eine nationale Debatte hatte sich für die Dänen überraschend zu einem internationalen Skandal entwickelt.
„Wenn du als Satire-Zeichner arbeitest, weißt du, dass religiöse Symbole sehr empfindliche Dinge sind, die gewaltsame Reaktionen auslösen können“, sagt der 79-Jährige nach dem Terroranschlag in Paris der Agentur Ritzau.
Die gläserne Schleuse wurde 2010 hochgezogen. Zuvor hatte ein Attentäter versucht, Westergaard zu töten. Zum Ende desselben Jahres konnte die Polizei einen Anschlag auf die „JP“-Redaktion vereiteln. Die Sicherheitsvorkehrungen sind seitdem mehrmals verschärft worden, das Haus hat sich in eine Festung verwandelt. „Wir waren es diesmal nicht, aber wir könnten es morgen sein“, sagt Kaufholz. „So etwas passiert, und wir müssen damit leben.“