Analyse: Twitter an der Börse - Jetzt muss Geld verdient werden
New York (dpa) - Die Investoren sind heiß auf Twitter: Die Nachfrage nach der Aktie war so hoch, dass der Kurznachrichtendienst den Ausgabepreis von erst mindestens 17 Dollar auf 26 Dollar hochschrauben konnte.
Das sieben Jahre alte Unternehmen, das noch nie auch nur in die Nähe von schwarzen Zahlen gekommen ist, war damit schon vor dem Läuten der Börsenglocke in New York gut 14 Milliarden Dollar wert.
Das Interesse an den Twitter-Aktien war so groß, dass das Unternehmen und seine Banken sich sogar Sorgen über zu extreme Kurssprünge am ersten Tag machen mussten. So berichtete der US-Sender Fox Business News, manche Verantwortlichen befürchteten einen ersten Kurs von 80 Dollar. Ein solch gewaltiger Abstand zum Ausgabepreis würde bedeuten, dass die Firma sich verschätzte und viel zu billig an den Markt gegangen ist.
Doch Twitter agierte lieber vorsichtig. Börsen-Vorläufer aus der Internet-Branche wie Facebook, die Spielefirma Zynga oder die Schnäppchen-Website Groupon mussten bereits erfahren, wie schnell die Euphorie der Investoren in böse Katerstimmung umschlagen kann.
„Sie hätten einen höheren Preis kriegen können, aber sie haben sich dagegen entschieden, weil sie nicht in eine Situation wie Facebook kommen wollten“, sagte ein Fondsmanager der Finanzfirma Gamco der Nachrichtenagentur Bloomberg. Facebook, das weltgrößte Online-Netzwerk, schraubte den Aktienpreis im Mai vergangenen Jahres angesichts der scheinbar exorbitanten Nachfrage immer höher.
Und dann war das Papier wenige Monate später weniger als die Hälfte wert: Die Investoren bekamen Zweifel, ob Facebook auch auf Smartphones und Tablets Geld verdienen kann. Inzwischen ist wieder gute Laune angesagt: Seit auch die Werbung auf mobilen Geräten ordentlich Geld abwirft, ist die Aktie zu Rekordwerten unterwegs.
„Solche Aktien wie unsere werden nach Erwartungen gehandelt. Wenn die Anleger an deren Wachstum glauben, schießt der Kurs hoch. Bei Zweifeln kracht er entsprechend massiv ein“, sagt Eric Lefkofsky, der Mitgründer und aktuelle Chef des gefallenen Börsenstars Groupon, der aktuell nur die Hälfte vom Startpreis wert ist.
Twitter konnte die Investoren bislang überzeugen, dass die Wachstumsaussichten gut sind und mit dem Anziehen der Werbeerlöse auch die Gewinne folgen werden. Aber es gibt keine Garantie, dass diese Rechnung aufgeht. Und wie lange hält die Geduld der Börsianer, wenn erst einmal Quartal für Quartal weiterhin rote Zahlen in der Bilanz auftauchen sollten? Schließlich wird Twitter jetzt nicht mehr wie in den ersten Jahren im Verborgenen agieren können, sondern unter voller Transparenz. Zudem weisen Skeptiker darauf hin, dass das Wachstum abflache und Twitter mit 230 Millionen Nutzern weltweit immer noch nicht bei der breiten Masse angekommen ist.
Wie auch immer es mit der Twitter-Aktie weitergeht: Mitgründer Jack Dorsey, der die ursprüngliche Idee für den Kurzmitteilungsdienst gehabt haben soll, hat noch ein weiteres Eisen im Feuer. Als er vor einigen Jahren im Streit mit Weggefährten wie Evan Williams zeitweise von Twitter wegging, gründete er die Firma Square, die Kartenzahlungen über Smartphones und Tablets annehmen lässt. Auch Square habe Börsenpläne für kommendes Jahr, schreiben das „Wall Street Journal“ und die „Financial Times“. Der Online-Dienst, bei dem Dorsey der Chef ist, macht inzwischen laut Medienberichten mindestens genauso viel Umsatz wie Twitter.