Analyse: UN-Anerkennung als Sprungbrett auf die Weltbühne?
Ramallah/Gaza/Tel Aviv (dpa) - Die Palästinenser setzen große Hoffnungen in ihre Anerkennung als Beobachterstaat durch die Vereinten Nationen. Sie erwarten sich davon vor allem breitere internationale Unterstützung für einen unabhängigen Palästinenserstaat in den Grenzen vor dem Sechstagekrieg von 1967.
Die palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi bezeichnete den neuen Antrag bei den UN als „Wendepunkt“. Sie sieht den „Beginn einer neuen Ära in Palästina, in unserem Streben nach Freiheit, Unabhängigkeit, einem Ende der Besatzung und der Befreiung des Landes und der Menschen.“
Schwärmerisch beschreibt Aiman Abu Laban, ein Lebensmittelhändler in der Stadt Gaza, seine Erwartungen. „Ich habe als Palästinenser immer davon geträumt, einen eigenen Staat zu haben, ins Ausland zu reisen und das Gefühl zu haben, dass ich als Person mit einem Staat behandelt werde.“ Trotzdem glaubt der 55-Jährige weiter, dass man mit bewaffnetem Widerstand mehr Erfolg erzielen kann als mit Diplomatie.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat sein UN-Vorhaben entgegen der ausdrücklichen Bitte von US-Präsident Barack Obama und trotz israelischer Drohungen hartnäckig weiterverfolgt. Israel sieht seinen Gang zu den Vereinten Nationen als einseitigen Vertragsbruch, weil in den israelisch-palästinensischen Friedensverträgen steht, dass alle offenen Fragen durch Verhandlungen geklärt werden müssen.
Abbas erhofft sich aber im Gegenteil gerade neuen Schwung für Nahost-Gespräche: Er hat angekündigt, er wolle direkt nach der UN-Anerkennung neue Verhandlungen mit Israel aufnehmen. Die Palästinenser wünschen sich, dass US-Präsident Barack Obama in seiner zweiten Amtszeit mehr Druck auf Israel ausübt, damit dieses einem lange geforderten Stopp des Siedlungsausbaus zustimmt.
Zu den Erwartungen der Palästinenser gehört auch, dass die Anerkennung ihrer Staatlichkeit durch die Vereinten Nationen ihnen eine größere internationale Bühne für ihre Klagen gegen die israelische Besatzungsmacht verleihen wird. „Ich denke, Israel wird hundertmal nachdenken, bevor es Siedlungen ausbaut oder einen neuen Krieg gegen die Palästinenser im Westjordanland und Gazastreifen beginnt, nachdem die Vereinten Nationen unseren Staat anerkannt haben“, glaubt der 23-jährige Student Ahmed Daher von der Islamischen Universität im Gazastreifen.
Als Beobachterstaat werde Palästina viele neue Vorteile haben, meint auch der palästinensische Politikexperte Hani Habib. „Vor allem bedeutet es das Ende von dem alten israelischen Lied, dass die Palästinensergebiete umstrittenes Land seien - die Palästinensergebiete werden als Land anerkannt, das von Israel besetzt ist.“
Israel hat nun große Sorge, dass seine Soldaten, Beamten und Politiker als Folge der Aufwertung des palästinensischen UN-Status' künftig wegen der Besatzungs- und Siedlungspolitik vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gestellt werden könnten.
Abbas hat für seinen Antrag ein Datum gewählt, das sowohl für Israelis als auch für Palästinenser eine große historische Bedeutung hat: Am 29. November 1947 stimmte die UN-Vollversammlung für eine Teilung des britischen Mandatsgebiets Palästina in einen arabischen und einen jüdischen Staat. Die Resolution wurde von den Juden in Palästina angenommen, von den Arabern in Palästina und den arabischen Staaten jedoch abgelehnt.
Angesichts der breiten internationalen Unterstützung für Abbas mehrt sich in Israel die Kritik am Vorgehen der rechtsorientierten Regierung von Benjamin Netanjahu. Die ehemalige UN-Botschafterin Gabriela Schalev sieht den UN-Vorstoß der Palästinenser als Quittung für „vier Jahre Funkstille“ zwischen beiden Seiten. Israels internationales Ansehen befinde sich heute an einem „Tiefpunkt, wie wir ihn schon seit Jahren nicht mehr erlebt haben“.