Analyse: USA stehen beim G20-Gipfel am Rande
Cannes (dpa) - Lächelnd, witzig, superlocker - demonstrativ legt Barack Obama beim G20-Gipfel in Cannes gute Laune an den Tag. Nicolas Sarkozy, dem frischgebackenen Vater, wünscht er launig, dass sein Töchterchen nach der Mutter kommen möge, und nicht nach dem Vater.
Als beim Pressemeeting mit Angela Merkel die Übersetzung ausfällt, kalauert er: „Alle amerikanischen Reporter sprechen Deutsch.“ Obama, der große Kommunikator, weiß: Gerade in düsteren Zeiten ist es für Politiker unerlässlich, Zuversicht und Unbeschwertheit auszustrahlen. Das Festspielpalais von Cannes, sonst einmal im Jahr Heimstatt für Filmstars und Schauspieler, ist dafür ein illustrer Ort.
Wie sich die Zeiten ändern: Es ist noch gar nicht lange her, da waren die USA noch der „Motor der Weltwirtschaft“. Wenn ein US-Präsident bei einem internationalen Wirtschaftsgipfel auftauchte, war er es, der den Ton angab, der das Sagen hatte. Alles vorbei. In Cannes steht Obama eher am Rande, nicht einmal sein Rat in Sachen Euro-Rettung ist gefragt. Die USA, die größte Volkswirtschaft der Welt, sind selbst zum Sorgenkind geworden. Nur die Euro-Krise und das Griechenland-Debakel verhindern, dass die US-Misere im grellen Scheinwerferlicht von Cannes steht.
Die vorläufig letzte Hiobsbotschaft kommt pünktlich zum G20-Auftakt. Was die US-Zentralbank voraussagt, ist derart katastrophal, dass Obama, der sonst kein Mikrofon auslässt, die Zahlen nicht einmal öffentlich kommentiert. Geradezu dramatisch stuft die Fed die Wachstumerwartungen zurück: Statt 2,7 bis 2,9 Prozent Wachstum in diesem Jahr lediglich zwischen 1,6 und 1,7 Prozent.
Für das Wahljahr 2012 sagt die Fed lediglich 2,5 bis 2,9 Prozent Wachstum voraus - noch im Juni hatte sie 3,3 bis 3,7 Prozent erwartet. Doch was noch schlimmer ist: Auch auf dem Arbeitsmarkt dürfte es keine Entspannung geben, die Arbeitslosenquote soll im nächsten Jahr lediglich auf 8,5 bis 8,7 Prozent fallen.
Die Botschaft hinter den Zahlen ist knapp und eindeutig: Die Chancen für Obama, im November 2012 wiedergewählt zu werden, drohen immer schmaler zu werden. Selten ist ein derart angeschlagener US-Präsident zu einem Weltgipfel erschienen wie Obama in der Glamour-Stadt Cannes.
„Leider können wir uns nicht von Europa absondern“, meint denn Fed-Chef Ben Bernanke, der sich Mühe gibt, alle „unglücklichen“ Faktoren aufzählt, die angeblich Mitschuld tragen am US-Debakel: Erdbeben in Japan, die Ölpreise - und die Eurokrise natürlich.
Seit Monaten mahnt Obama die Europäer zum entschlossenen Handeln, kritisiert ihr anfängliches Zaudern bei Krisenmanagement, betont, dass die Eurokrise ein Hindernis für die Weltkonjunktur sei.
Doch als sein Finanzminister Tim Geithner seinen europäischen Kollegen unlängst gute Ratschläge erteilen wollte, winkten diese kühl ab - Obama und seine Mitstreiter sollten erst mal das eigene Haus in Ordnung bringen. Außerdem seien es die USA gewesen, die 2008 den großen Crash ausgelöst hätten.
„Wir haben hier eine Rolle zu spielen“, stimmt Obama-Sprecher Jay Carney Journalisten zum Cannes-Meeting ein. „Wegen unserer Erfahrungen und unserem Wissen, und natürlich auch, weil wir die größte Volkswirtschaft der Welt sind.“ Das klingt so, als müsse der brave Sprecher die Welt daran erinnern, dass die USA nach wie vor eine Führungsrolle beanspruchen.
Ein „Aktionsplan für Wachstum und Beschäftigung“ liegt den Gipfelteilnehmern bei einem ersten Arbeitsessen in Cannes vor. Seit Jahren dringt Obama darauf, dass die Europäer mehr konsumieren, mehr Geld ausgeben, um die Weltkonjunktur richtig in Schwung zu bringen. Doch vergeblich. Mehrfach wurde er schon in den letzten Jahren enttäuscht - und auch aus Cannes sind keine wunderverheißenden Wachstumssignale zu erwarten, die Obamas Wahlchancen vergrößern könnten. „Unsere wichtigste Aufgabe in den nächsten zwei Tagen ist es, die Finanzkrise in Europa zu lösen“, sagt Obama. Was in diesen düsteren Zeiten bleibt, sind kleine Späße.